Nieten aussortieren und nur auf Wertpapiere setzen, die durch die Decke gehen? Darauf basiert die Momentum-Strategie.
Anleger und Anlegerinnen konzentrieren sich dabei auf Aktien, die während eines bestimmten Zeitraums die größte Kursdynamik aufwiesen, sprich, die besten Renditen einfuhren.
Diese Anlagestrategie lässt sich sogar umsetzen, wenn du in ETFs investierst. Ob die Investition in einen Momentum-ETF sinnvoll ist, klären wir in diesem Blogbeitrag!
Was ist eine Faktor-Prämie?
Bevor wir uns die Momentum-Strategie genauer anschauen, müssen wir zuvor klären, was es mit dem sogenannten Faktor-Investing und den Faktor-Prämien auf sich hat. Dazu werfen wir einen Blick in die Vergangenheit.
In den 80er und 90er Jahren legten zahlreiche innovative Finanzökonomen wie Eugene Farma (Begründer der Markteffizienzhypothese) und Kenneth French die Grundlagen für jene Methoden, die heute dazu genutzt werden, renditebestimmende Faktoren bei Wertpapieren zu identifizieren.
Basis ihrer Forschungsarbeit war, diejenigen statistischen Merkmale von Aktien herauszufiltern, die tatsächlich für Rendite und Risiko verantwortlich waren. Denn, wie sich später herausstellte, wichen diese von den ursprünglich angenommenen Ursachen ab.
Diese Merkmale werden in der neueren Literatur als Faktoren beziehungsweise als Faktor-Prämien oder Faktor-Investing bezeichnet.
Konkret sind Faktor-Prämien also die objektiven Merkmale eines Wertpapiers, die sich statistisch gesehen, am ehesten dazu eignen, um historische und künftige Renditen und Risiken zu erklären.
Gerd Kommer erklärt es hier nochmal recht anschaulich:
Wie funktioniert Factor-Investing?
Die beiden bekanntesten Faktor-Prämien bei Aktien sind der Small-Cap-Effekt und der Value-Effekt. Der Small-Cap-Effekt beruht auf dem langfristigen Renditeaufschlag, den kleinere gegenüber großen Aktien haben.
Beim Value-Effekt handelt es sich um langfristigen Renditeaufschlag, den Substanzswertaktien (Value-Aktien) gegenüber Growth-Aktien aufweisen.
Beim Factor-Investing werden Faktor-Prämien in einem Portfolio gegenüber einer marktneutralen Gewichtung übergewichtet.
Marktneutral meint in diesem Falle eine lückenlose Abbildung des Gesamtmarktes nach Marktkapitalisierung. Ziel des Ganzen ist es natürlich, eine Mehrrendite gegenüber der marktneutralen Abbildung zu erzielen.
Das damit einhergehende Risiko sollte dabei allerdings nicht unbeachtet bleiben. Teilweise lässt sich dieses jedoch mit einem globalen Aktien- und Anleihenportfolio wegdiversifizieren.
Nun kennst du ein wenig den Hintergrund kommen wir zurück zur Frage: “Ist die Investition in einen Momentum-ETF sinnvoll?”
Wie funktioniert die Momentum-Strategie?
Um den Momentum-Faktor zu nutzen, werden Aktien hinsichtlich ihrer Renditen innerhalb der letzten sechs bis zwölf Monate betrachtet. Dann wird versucht, diese positive Tendenz, das Momentum einige Monate fortzusetzen, bevor es verschwindet.
In der Praxis werden demnach Aktien, die im zurückliegenden Zeitraum eine Überrendite erwirtschaftet haben, für etwa drei Monate übergewichtet.
In einem rollierenden Verfahren werden diese dann durch die nächsten “High-Momentum-Aktien” ersetzt.
Der Momentum-Effekt wurde erstmals Anfang der 90er Jahre wissenschaftlich nachgewiesen und mittlerweile durch zahlreiche Studien bestätigt.
Doch, wenn diese Funktionsweise schon so lange bekannt ist, wäre da nicht ein größeres Angebot eines Momentum-ETF sinnvoll? Nehmen wir doch mal, die auf dem Markt bestehenden Momentum-ETFs genauer unter die Lupe.
Welche Momentum-ETFs gibt es und wie setzen sich diese zusammen?
Justetf.com ist häufig eine gute Adresse, um sich einen Überblick zu bestimmten ETFs zu verschaffen und tiefer in die Recherche einzusteigen. Hier finden wir eine Übersicht mit genau acht Aktien-ETFs, die den Momentum-Faktor mit einbeziehen. Das Angebot ist also eher mäßig.
Die entwickelten Indizes stammen hauptsächlich vom Finanzdienstleister MSCI (Morgan Stanley Capital International) und beziehen sich vordergründig auf die unterschiedlichen Regionen Europa, USA und Industrieländer weltweit.
Zudem findet sich hier der Momentum-Faktor MSCI World mit zusätzlichen ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance), der somit ethische, ökologische und nachhaltige Aspekte bei der Aktienauswahl berücksichtigt.
Vergleich zwischen MSCI World ETF und MSCI World Momentum Factor
Woraus setzt sich der MSCI World zusammen?
Als Beispiel ziehe ich den iShares Core MSCI World UCITS ETF USD (Acc) (ISIN IE00B4L5Y983, WKN A0RPWH) heran. Dieser bietet Zugang zu den internationalen Aktienmärkten in 23 Industrieländern.
Bei der regionalen Verteilung befindet sich die USA mit über 69 Prozent auf dem ersten Platz. Weit dahinter reihen sich Japan mit etwas über 6 Prozent, das Vereinigte Königreich (3,94%), Kanada (3,23%) und Frankreich (3,13%) in den Index ein.
Unternehmen, die im IT Sektor vertreten sind, finden sich zu über 24 Prozent im Index wider, gefolgt vom Finanzwesen, zyklischen Konsumgütern, der Gesundheitsversorgung und der Industrie.
Worauf bezieht sich der MSCI World Momentum Factor?
Ich orientiere mich hier am iShares Edge MSCI World Momentum Factor UCITS ETF (Acc) (ISIN: IE00BP3QZ825, WKN A12ATF). Dieser ETF ermöglicht es in Aktien mit einem hohen Kursmomentum aus 23 Industrieländern weltweit zu investieren.
Der Index enthält in erster Linie Positionen, die in den vergangenen sechs bis zwölf Monaten Kursanstiege verzeichnen konnten.
Der Index hat mit über 70 Prozent eine überproportionale Gewichtung der USA.
Danach folgen im einstelligen Bereich Japan, Kanada, Frankreich und die Niederlande. Die stärksten Branchen sind mit fast 35 Prozent die IT und mit über 20 Prozent das Finanzwesen.
MSCI World | MSCI World Momentum Factor | |
Fondsvolumen | 40.649 Mio. EURO | 2.542 Mio EURO |
Replikationsmethode | Physisch (optimiertes Sampling) | Physisch (optimiertes Sampling) |
Fondswährung | USD | USD |
Gesamtkostenquote (TER) | 0,20 % | 0,30 % |
Ertragsverwendung | thesaurierend | thesaurierend |
Region | 23 Industrieländer | 23 Industrieländer |
Anzahl Aktien | 1.568 | 368 |
Top 10 Positionen MSCI World
Top 10 Positionen MSCI World Momentum Factor
Rendite MSCI World (4 Jahre)
Rendite MSCI World Momentum Factor (4 Jahre)
In Anbetracht dieser Fakten, stellt sich nun die Frage: “Ist ein Momentum-ETF sinnvoll?” Auf den ersten Blick fällt die höhere Gesamtkostenquote ins Auge.
Höhere Kosten bedeuten gleichzeitig eine geringere Rendite. Diese fielen beim Momentum-ETF vor allem in den Jahren 2020 und 2018 deutlich höher aus, als beim Standard MSCI World.
Ein gravierender Unterschied ist die deutlich geringere Diversifikation beim Momentum-ETF. Dieser enthält mit 368 Titeln gerade mal ein Viertel des MSCI Worlds mit über 1.500 Positionen.
Ein Aspekt, der sich auf lange Sicht betrachtet negativ auf die Rendite auswirken kann. Eine geringe Anzahl von Unternehmen benötigt länger, um sich von Einbrüchen zu erholen.
Ist ein Momentum-ETF sinnvoll?
Warum gibt es bedeutend mehr MSCI World ETFs oder solche, die auf andere Faktor-Prämien abzielen, als Momentum-ETFs? Ein Grund dafür könnte die hohen Transaktionskosten sein, die beim Nutzen des Momentum-Effekts entstehen.
So müssen doch größere Teile des Portfolios immer wieder umgeschlagen werden.
Allerdings sind diese Kosten im Laufe der Zeit bedeutend gesunken und auch bei einem marktneutralen ETF, der einen konventionellen Marktkapitalisierungsindex abbildet, entsteht Portfolioumschlag und damit Transaktionskosten.
Erfüllen am Stichtag Wertpapiere, die zuvor nicht im Index enthalten waren, die Indexkriterien nun besser, kommt es zu einer Umschichtung.
Beim Ausnutzen des Momentum-Effekts setzen Anleger auf die Wahrscheinlichkeit, dass sich Aktien, die sich in der jüngeren Vergangenheit positiv entwickelt haben, diese Wertentwicklung in der Zukunft kurzfristig fortsetzen. Genau in dieser Annahme liegt die Krux.
Risiken des Momentum-ETFs
Momentum-ETFs können eine starke Performance erzielen. Allerdings sind vergangene Entwicklungen kein Garant für zukünftige Erträge.
Daher ist die Momentum-Strategie überaus anfällig für Schwankungen und birgt Risiken, die man nicht außer Acht lassen sollte.
Aus diesem Grund sollten Momentum-ETFs lediglich eine Beimischung in einem breit diversifizierten Portfolio darstellen als dessen Basis.
So verlockend die Überperformance und so einleuchtend der wissenschaftliche Ansatz dahinter ist, hohe Renditen gibt es nicht umsonst.
Aktien, die einen höheren Momentum-Score aufweisen, zeichnen sich ebenfalls durch eine höhere Volatilität aus. Dies kann sich bei steigenden Kursen als vorteilhaft erweisen, umgekehrt in Abschwungphasen jedoch genauso zu Verlusten führen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Momentum-ETF sinnvoll sein kann, wenn dieser als Ergänzung in einem breit gestreuten Portfolio verwendet wird.
Er weist mögliche hohe Renditen auf, die mit relativ gesehen, geringen Gebühren einhergehen. Zu beachten gilt, dass Momentum-ETFs ein hohes Marktrisiko mit sich bringen und empfindlich auf wirtschaftliche sowie politische Schwankungen reagieren können.
Ist Factor-Investing ein Thema für dich? Hast du einen Momentum-ETF in deinem Portfolio? Schreib es uns gern in die Kommentare!
Disclaimer
Von der Autorin erwähnte Aktien, ETFs und Fonds sind immer mit Risiken behaftet. Alle Texte sowie die Hinweise und Informationen stellen keine Anlageberatung oder Empfehlung dar. Sie wurden nach bestem Wissen und Gewissen aus öffentlich zugänglichen Quellen übernommen. Alle zur Verfügung gestellten Informationen dienen allein der Bildung und Veranschaulichung. Eine Haftung für die Richtigkeit kann nicht übernommen werden. Sollten die Leser*innen sich die angebotenen Inhalte zu eigen machen oder etwaigen Ratschlägen folgen, so handeln sie eigenverantwortlich.