Bitcoin, Libra, digitaler Yuan – Ist Bargeld bald Geschichte?

Lasst die Spiele beginnen: Mit Schild und Schwert gewappnet betreten drei Kryptowährungen die Arena – Facebooks Libra, Chinas digitaler Yuan und Bitcoin. Viel steht auf dem Spiel; es geht um das staatliche Geldmonopol, die Zukunft des Geldes und damit: Mit was kaufen wir künftig unsere Brötchen? Dieser Beitrag wirft eine kleine Fackel ins Dunkle.

Libra: Die dunkle Bedrohung

Wäre Facebook ein Land, hätte es mehr Einwohner als China, die USA und Europa zusammen. Ganze 2,5 Milliarden Nutzer tippen, teilen, liken und posten täglich. Solange sie über Fotos lästern oder über den Chef nörgeln, kümmert das die Zentralbanken wenig. Doch, oh Panik: Hätten alle diese 2,5 Milliarden Nutzer eine eigene Währung, bezahlten mit ihr und zückten nicht mehr Dollar, Euro oder Yuan – was dann?

Dieser gedankliche Fallout plagt die Politiker wie Loch Ness Paläontologen. Denn Facebooks Kryptowährung (Libra) versteckt nicht ihr Reize: Überweisungen seien schneller und günstiger von Handy zu Handy möglich und Landesgrenzen spielten auch keine Rolle. Damit Libra ferner nicht schwankt wie Bitcoin, soll ein Währungstopf den Wert stabilisieren – er wäre gewürzt mit Dollar, Euro, Yuan und Pfund. Dadurch wäre Libra ein wertstabiler Coin, und damit eine wirkliche Konkurrenz zu unserer Währung.

Deshalb wundert es nicht: Regierungen, Zentralbanken und Finanzkontrolleure schnauben, schnaufen und drohen mit Regulierungen. „Die Ausgabe einer Währung ist Bestandteil nationaler Souveränität“, sagte Olaf Scholz dazu – sogar noch leidenschaftlicher als sonst. Darum verließen bereits einige Partner die scheinbar sinkende Titanic; darunter PayPal und Visa. Ist Libra jetzt schon ein gelöschter Post? Ein Blick nach China könnte den Widerstand doch brechen.

 

China sprintet nach vorn

Offenheit, Freizügigkeit und Freiheit sind keine Begriffe, womit man beim Spiel “Tabu” China erklären könnte. Deshalb ist Bitcoin der chinesischen Führung ein Balken im Auge: Er ist dezentral, anonym und lässt sich nicht kontrollieren. Für China ist er nichts weiter als ein Zahlungsmittel für Drogen, Waffen und Zockerei. China hat deswegen zwei Fronten eröffnet, Bitcoin Herr zu werden:

  1. Strenge Gesetze: Finanzinstitutionen dürfen nicht mit Kryptowährungen traden, ICOs (Initial Coin Offerings) sind verboten und chinesische Kryptobörsen dürfen nur mit einer Lizenz öffnen.
  2. Eine eigene Kryptowährung: Bereits seit 2014 tüfteln chinesische Daniel Düsentriebe an einem digitalen Yuan – natürlich unter den wachsamen Augen der Zentralbank.

Dennoch schwänzte der digitale Yuan die letzten Jahre, bis – oh Schreck – Facebook 2019 Libra ankündigte. Seitdem hat der digitale Yuan seinen Trabi verlassen und ist umgestiegen in einen Ferrari – technisch ist er darum bereits fertig. Aber Gesetze schreiben sich nicht im gleichen Tempo: Die neue Blockchain-Technologie muss zuerst mit der lokalen Gesetzgebung übereinstimmen. Bis das geregelt ist, sollte noch etwas Zeit ins Land der Mitte gehen; Insider rechnen mit Mitte 2021.

 

Chinas digitaler Yuan

Doch was kann der digitale Yuan – und wichtiger: Was sind die Folgen für die Welt? Selbstverständlich kann man mit ihm bezahlen – sowohl online wie offline –, weiterhin sollen 300.000 Transaktionen pro Sekunde möglich sein. Eine Einschränkung der Höhe soll es nicht geben: Kleinstbeträge wie große Summen sind möglich. Ebenso soll er abgelegene Gebiete an das Finanznetz anschließen und grenzüberschreitendes Bezahlen erleichtern.

Hauptgrund bleibt natürlich: finanzielle Stabilität erhalten und anderen Kryptowährungen den Strom abdrehen. So formt China weiter den gläsernen Menschen, denn die Blockchain-Technologie ermöglicht uneingeschränkte Kontrolle und Rückverfolgung. Doch der digitale Yuan könnte noch viel mehr sein – der Startschuss zu einer bargeldlosen Ära.

Seit Ende des 2. Weltkrieges ist der Dollar Leitwährung: Egal, ob im weltweiten Handel, der Finanzwelt und Weltwirtschaft, die Bilder toter Präsidenten gehen von Hand zu Hand. Daran könnte der digitale Yuan rütteln: China ist die zweitgrößte Wirtschaftsmacht und der (digitale) Yuan ist ein einfacheres, dann weltweit anerkanntes Zahlungsmittel. Verliert die USA und der Dollar weiter an Boden, würde China der restlichen Welt bescheiden die Hand reichen. Leitwährung könnte dann der digitale Yuan werden.

Außerdem pocht durch Corona eine Rezession an der Tür; auch hier ist der digitale Yuan im Vorteil. Um die Wirtschaft anzukurbeln, haben die Zentralbanken nur zwei Möglichkeiten: Geld drucken und einen niedrigen Leitzins ansetzen für Kredite. Mit dem digitalen Yuan geht das geräuschlos vonstatten – mit ihm sind sogar negativ Zinsen problemlos möglich. Bargeld kann man abheben, horten und somit vor Negativzinsen schützen; mit digitalem Geld geht das nicht. So könnte China einer schwächelnden Wirtschaft effizienter begegnen – wiederum ein Vorteil für die Chinesen.

Der Kampf um die Geldhoheit

Jetzt schielen die anderen Nationen auf den digitalen Yuan wie Grundschüler auf eine prall gefüllte Brotbüchse. Doch der Kampf ähnelt bereits der Fabel „Hase und Igel“: Europa, USA, Schweden rennen los, China ist schon da. Das treibt Sorgenfalten ins Gemäuer der Zentralbanken. Denn ein weiteres Problem tritt auf: Das Internet schert sich nicht um Landesgrenzen, sondern bildet eigene Großräume. Darin werden Flüge gebucht, Essen gekauft oder Tickets bestellt. Die Menschen vernetzen sich über Währungsgrenzen hinweg und suchen sich eigene Währungen, womit sie billiger und schneller überweisen können.

Das Ergebnis ist klar: Der digitale Dollar macht sich groß, der digitale Euro blitzt nach oben, der digitale Yuan stemmt die Hände in die Hüfte – keiner will einen Zentimeter Währungshoheit abgeben. Zum Glück gibt es einen likenden Heilsbringer: Facebook. Zwar war Libra erstmal auf Eis, doch Facebook hat eine neue Idee; es spielt die Staaten geschickt gegeneinander aus.

Zunächst sollen kleine Libras auf den Markt kommen, jeweils gedeckt mit Euro, Dollar oder Pfund. Das würde die nationalen Projekte befeuern, eigene Digitalwährungen auszugeben. Sind die Staaten jetzt noch beim Entwickeln, lockt bereits eine fertige Technologie in Reizwäsche. Wer könnte dazu nein sagen? Mit einem Libra-Euro könnte man die amerikanische Dollar-Hegemonie zerschlagen; die Amerikaner wiederum könnten sich verteidigen. Lehnt man jedoch ab, könnte man der moralische Dumme sein. Deshalb beäugen sich alle wie bei einer Runde Poker – im Jackpot liegt die Währungshoheit über die Welt.

Das ist also die Ausgangslage: China ist fast fertig, Facebook möchte seine Libra und umgarnt dafür einzelne Nationen. Wie die Sache ausgeht, weiß keiner. Aber es könnte unser Geldsystem auf den Kopf stellen – weg vom Bargeld, hin zu eigenen Kryptowährungen der Zentralbanken.

Streiten sich alle, freut sich der Bitcoin

Eines ist klar: Alle diese digitalen Währungen haben nichts gemein mit der Idee der Kryptografie. Sie sind weder anonym, noch dezentral, geschweige denn zum Vorteil aller Nutzer konzipiert. Außerdem verbinden sie das Alte mit dem Neuen und erschaffen etwas, was eigentlich keiner haben will. Zuletzt verpflanzen sie die Gelddruckerei auf die Blockchain, überwachen jede Transaktion und haben totale Kontrolle über die Finanzen. Deshalb wirft der Bitcoin wieder den Fehdehandschuh hin – es wird sich zeigen, welche digitale Währung ihn aufhebt.

Sicher ist: Den Bitcoin wird kein Staat der Welt mehr los. Kein Staat kann jedes internetfähige Gerät auf der Welt kontrollieren, nur um die Blockchain auszuknipsen. Deshalb könnte der Bitcoin vor allem eines werden: Eine Währung, um Wert zu bewahren. Fast 90 % aller Bitcoins sind bereits geschürft, das könnte seinen Preis in naher Zukunft stabilisieren oder in die Höhe treiben. Wenn sich der Bürger überwacht fühlt oder Inflation kommt, muss er nur Bitcoin kaufen, um sein Vermögen zu reden und es fremder Kontrolle zu entziehen.

Aber was wird aus den anderen Kryptowährungen? Vielleicht bewegt sich der Trend immer weiter in Richtung Vielfältigkeit statt einer Leitwährung: Anstatt des digitalen Dollars haben wir hunderte Währungen, die verschiedene Bereiche der Welt vernetzen. So hat jeder Raum in Internet eine eigene Währung, eben weil der jeweilige Raum ihr Wert beimisst.

Jedenfalls steckt die Blockchain noch in ihren Kinderschuhen; es wird sich zeigen, wann sie mit Zeh und Ferse an die Kanten stößt. Ist es soweit, könnte man die Finanzwelt nicht wiedererkennen. Jedenfalls das ist sicher: Bitcoin kann man den Strom nicht mehr abknipsen.

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Quellen:

 Coin Kurier Staff, China: Staatliche Kryptowährung steht vor der Tür!, Coin Kurier, 25.03.2020.

Giesen, Christoph, China öffnet sich für den Bitcoin, Süddeutsche Zeitung, 05.01.2020.

Hügli, Pascal, Libra – die letzte Chance für den Euro?, BTC Echo, 26.02.2020.

Kaufmann, Stephan, Facebook will seine Kryptowährung Libra noch 2020 starten – und setzt dabei auf die Konkurrenz der Staaten, Frankfurter Rundschau, 23.04.2020.

Lyanchev, Jordan, China’s Cryptocurrency Is Closer Than Expected, Already Working On Legislation, CryptoPotato, 25.03.2020.

Sergey, Baloyan: How China’s New National Cryptocurrency Changes Everything, Hackernoon 24.04.2020.


Junge schaut in die Kamera.

Finanz-Enthusiast, Self-Improvement-Sensei und  notorischer Wort-Jongleur – diese drei Engel für Charlie bin ich: Robin. Meine Texte entzaubern die Finanzwelt, um sie Dir zerlegt auf dem Silbertablett zu präsentieren. Für Deine finanzielle Bildung und ein selbstbestimmteres Leben.

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Robin Prock

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