Kein Überlegen. Wäre das nicht toll? Du musst keine Aktien analysieren, rechnen, Bilanzen wälzen – du schaust nur in den Chart und findest die Antwort: kaufen oder verkaufen. Das verspricht die technische Aktienanalyse. Wie sie funktioniert, erfährst du jetzt:
Technische Aktienanalyse: Was sie ist und wie sie funktioniert
Was betrachtet die technische Analyse?
Ein Ölsucher stand vor den Himmelstoren und begehrte Einlass, doch Sankt Peter versperrte ihm den Weg:
“Tut mir leid; eigentlich dürftest du eintreten, aber der Raum für Ölsucher ist voll – ich kann dich nicht mehr hineinzwängen.”
Der Ölsucher stand betreten da, aber sagte schließlich:
“Darf ich wenigstens meinen Genossen fünf Worte sagen?”
Sankt Peter stimmte zu und so trat der Ölsucher vor seine Kollegen und schrie:
“Öl gefunden in der Hölle!”
Sofort platzten die Ölsucher aus dem Raum, rannten die Himmelstreppe hinab und eilten gierig zu Hölle.
Sankt Peter stand verdutzt da, doch sagte schließlich:
“Nun gut, jetzt ist Platz – du darfst eintreten.”
“Lieber nicht; ich gehe mit den Jungs. Wenn so viele dahinstürmen, muss an dem Gerücht etwas dran sein.”
Was sagt dir diese Geschichte?
Sie zeigt dir, wie technische Analysten arbeiten: Sie interessiert nur, was der Markt macht (geht er nach unten, oben oder zur Seite) – und dann folgen sie ihm.
Warum er gerade steigt, fällt oder im Krebsgang hin und her watet, kümmert sie nicht.
Sie analysieren nur die Stimmung der Anleger, denn die Stimmung macht dir Kurse.
Warum soll das funktionieren?
Weil die technische Analyse das Prinzip vertritt, die Märkte seien irrational:
Hunderttausend gierige Anleger treiben den Kurs nach oben – und mit hunderttausend Angsthasen stürzt er wieder.
Deshalb lohnt es sich nicht, wie ein Fundamental-Analyst die Unternehmen in ihre Einzelteile aufzudröseln und bis zur letzten Schraube zu verstehen.
Denn die Unternehmen bestimmen nicht die Kurse; es sind die Anleger und ihre Ansichten über die Bilanz, Geschäftszahlen, Nachfrage, Aktienkennzahlen, politische Entscheidungen, Zinsänderungen… – kurz: über alle Fundamentaldaten und vollkswirtschaftlichen Veränderungen.
Mit ihren Informationen haben die Anleger den Kurs bereits wie einen Luftballon aufgeblasen; so musst du nur noch den Luftballon anstechen, um zu sehen, wohin die Luft entweicht.
Das sind Trends und ihnen folgst du – und jagst den Ölsuchern in die Hölle nach.
Auch wenn es kein Öl gibt.
Also noch einmal, damit du den Unterschied zwischen technischer Analyse und Fundamentalanalyse oder Value Investing genau verstehst:
- Fundamentalanalyse: Du untersuchst das JETZT des Unternehmens, um herauszufinden, wohin sich der Kurs entwickelt.
- Technische Analyse: Du untersuchst die Psychologie der Anleger und ihre Prognosen über die Zukunft (im Kurs enthalten), um herauszufinden, wohin sich der Kurs entwickelt.
Was besser ist, muss jeder für sich selbst entscheiden; aber – meiner Meinung nach – sollten sich beide Theorien ergänzen – und nicht gegenüberstehen wie Schwarz und Weiß auf einem Schachbrett.
Wichtig zu verstehen:
Beide sind keine exakte Wissenschaft, sondern eher Kunst – weder ein Fundamentalanalyst kann sich reich rechnen, noch ein technischer Analyst reich zeichnen.
Du brauchst Übung, Geschick und Gespür, willst du Aktien kaufen.
Die drei unerlässliche Grundannahmen der technischen Analyse bei Aktien, ohne die die Rechnung nicht aufgeht
Damit die technische Aktienanalyse funktioniert, müssen drei Grundannahmen erfüllt sein:
- Alle relevanten Informationen stehen im Preis: Geschäftszahlen, die Nachfrage nach Produkten, politische Entscheidungen, Arbeitslosenzahlen… Alles ist in den Kurs eingepreist, weil alle Anleger den Kurs machen.
- Die Geschichte wiederholt sich: Seit der Steinzeit verfolgen uns die gleichen Emotionen. Deshalb handeln wir in gleichen Situationen genau gleich. Eine Krise kommt, schon lähmt uns die Panik. Darum verraten dir vergangene Aktienkurse die Zukunft.
- Märkte bewegen sich in Trends: Ist die Stimmung gut, steigt der Preis weiter. Deine Aufgabe ist es, diese Trends zu erkennen und ihnen nachzugehen. Den Weg zeigen dir die Charts und die Chartanalyse:
Charts: Die Spielwiese der technischen Aktienanalyse
Die Kurse schlängeln sich im Chart; deshalb musst du einen Chart analysieren können, um ein technischer Investor zu werden.
Nur so spürst du Trends auf und kannst Marktbewegungen einigermaßen abschätzen.
Was ist jedoch ein Chart?
Ein Chart ist ein Diagramm, wobei die y-Achse den Preis abbildet und die x-Achse die Zeit.
Charts sind dabei verschieden wie die Bremer Stadtmusikanten; es gibt sie in verschiedenen Formen, Größen und Ausführungen.
Diese drei Charttypen sind üblich:
- Liniencharts: Wie die Frisur eines Punks zieht sich eine Linie über das Diagramm – es sind die miteinander verbundenen Schlusskurse. Mehr verrät dir dieser Chart nicht.
- Balkenchart: Er zeigt dir innerhalb eines Intervalls (Minuten, Stunden, Tage), wie weit der Kurs gestiegen oder gefallen ist. Der Eröffnungskurs steht als waagerechte Linie auf der linken Seite, der Schlusskurs auf der rechten Seite des Balkens.
- Candlestick-Chart (Kerzenchart): Eine Weiterentwicklung des Balkencharts; die Spanne zwischen Eröffnungs- und Schlusskurs bildet ein Rechteck. Der Strich über dem Rechteck (Docht) reicht bis zum Hoch des Intervalls; der Strich unter dem Rechteck (Lunte) bis zum Tief des Intervalls. Diese bildhafte Darstellung des Kerzencharts ermöglicht dir eine genauere Vorgehensweise und tiefere Analyse.
Wie du bei der technischen Aktienanalyse Charts liest, erklärt dir die Charttechnik – dazu unten mehr.
Die 3 Methoden der technischen Analyse
Wie arbeitet die technische Aktienanalyse?
Mit drei Analyse-Methoden: Trendanalyse, Formationsanalyse und Indikatorenanalyse.
Diese 100-Euro Wörter sollen dir eine Frage beantworten.
Wie erkenne ich, ob eine Aktie steigt oder fällt?
Wie das geht, erfährst du jetzt:
1. Trendanalyse
Schweißbänder, Schulterpolster oder Wadenwärmer – die Klamotten der 80-er gehören heute nur noch in die Geisterbahn der schlimmsten Modesünden.
Trotzdem waren sie an einem bestimmten Zeitpunkt Trends.
Genauso ist es an der Börse; über Minuten, Stunden, Tage, Wochen oder Monate bewegt sich der Kurs in eine Richtung.
Sei es eine Aufwärtsbewegung, eine Abwärtsbewegung oder eine Seitwärtsbewegung.
Natürlich steigen oder fallen sie nicht gerade, sondern in zackigen Wellen – so sehen sie aus:
- Aufwärtsbewegung (1): immer höhere Tiefs und höhere Hochs.
- Abwärtsbewegung (2): Immer tiefere Tiefs und tiefere Hochs.
- Seitwärtsbewegung (3): immer gleich hohe Hochs und Tiefs.
Diese Richtungen lassen sich noch einmal zeitlich einteilen:
- Primärtrends: Diese langfristigen Trends dauern über ein Jahr und bestehen aus einer Abfolge von Aufwärtsbewegungen und Korrekuren – den Sekundärtrends.
- Sekundärtrends: Sind mittelfristige Trends, die Wochen oder Monate dauern können. In der Regel bestehen Primärtrends aus drei sekundären Aufwärts- oder Abwärtstrends. Diese Zahl ist aber keinesfalls in Stein gemeißelt wie die 10 Gebote.
- Primärtrends: Sind kurzfristige Trends von wenigen Tagen oder Wochen innerhalb der Sekundärtrends.
Deine Aufgabe ist es, den vorherrschenden Trend zu erkennen und zu reiten, bis er an einem Wendepunkt dreht.
Denn es heißt “The Trend is your friend” – der Trend ist dein Freund.
Doch wie bestimmst du Trends?
Über Trendlinien, trendfolgenden Indikatoren oder Trendkanälen.
Formationsanalyse oder Charttechnik
Jetzt weißt du, was Trends sind – aber wie erkennst du, wann der Trend sich dreht oder fortsetzt?
Auch dazu führt die technische Aktienanalyse ein ganzes Repertoire an Charttechniken, wie du aus dem Chart MÖGLICHE Tendenzen herausliest.
Und das MÖGLICH schreit nicht umsonst wie das Mädchen im Horrorfilm.
Solche Muster sind statistische Bewegungen der Vergangenheit; in der Mehrheit der Fälle mündeten sie in das gewünschte Ergebnis.
Allerdings ist die Mehrheit keinesfalls immer, weil Formationen keine Wörterbücher sind, die du im Chart aufschlägst und ihre Bedeutung nachliest.
Was sind sie dann?
Es sind Hintergrundgeschichten dafür, was die Anleger denken und fühlen – wie gesagt: Laut der technischen Analyse bestimmen die Emotionen der Anleger die Kurse und damit die Formationen im Chart.
Und weil Gefühle brüchiger sind als der Schlaf eines Kleinkindes, gehen auch die Formationen nicht immer auf.
3 gängige Formationen stelle ich dir jetzt vor:
1. Aufsteigendes Dreieck
Nicht umsonst spitzen sich Dreiecke zu, denn ihr Ende entscheidet, ob der Trend sich dreht oder fortsetzt.
Und zwar spätestens, wenn beide grüne Linien sich schließen.
Sicher ist nur, dass die Handelsspanne innerhalb der grünen Linie kleiner und kleiner wird.
Aber wie erkennst du, wohin die Reise geht – und vor allem, ob du auf dem richtigen Stuhl sitzt, wenn die Musik aufhört?
Einen HINWEIS gibt dir der Neigungswinkel des Dreiecks.
Im aufsteigendem Dreieck ist er nach oben gekehrt (untere gründe Linie). Das bedeutet:
Die Marktteilnehmer kaufen immer etwas früher und warten nicht so lange ab (Das erkennst du an den grauen Spitzen an der unteren grünen Linie).
Das erhöht die Wahrscheinlichkeit auf steigende Kurse.
Verkaufen die Anleger immer etwas früher – eine Linie neigt nach unten – ist ein Abwärtstrend wahrscheinlicher.
2. Bullenflagge
Gewinne mitzunehmen hat noch niemanden arm gemacht.
Und das zeigt eine Flagge:
Nach einem Aufwärtstrend (roter Pfeil), kippt die Stimmung und die Anleger nehmen Gewinne mit.
Warum?
Sie sind sich unsicher, ob es weiter nach oben geht.
Das erkennt man an den immer tieferen Tiefs (unterer grüne Linie) und immer tieferen Hochs (obere grüne Linie).
Trotzdem gewinnt irgendwann das Argument, warum es zu einem Aufwärtstrend gekommen ist – er bricht wieder nach oben aus (blauer Pfeil).
Meist steigen die wieder ein, die zuvor Gewinne kassiert haben und gießen noch mehr Spiritus ins Feuer.
Je nach Trend kann diese Flagge Tage, Wochen oder Monate andauern.
3. Wimpel
Wimpel sind kurzfristige Verschnaufpausen innerhalb einer Bewegung – die Anleger machen sich frisch, holen sich einen Kaffee und dann geht es (meistens) weiter.
Deshalb dauern Wimpel höchstens vier Wochen und gehören somit zu Tertiärtrends.
Trotzdem ist es NUR wahrscheinlicher, dass sich der übergeordnete Trend fortsetzt – sicher ist es nicht.
Was steckt jedoch dahinter?
Nach einer längeren Aufwärtsbewegung verdampft der Kaufdruck und eine kleine Korrektur beginnt (Gewinn-Mitnahmen).
Ist die Aufwärtsthese allerdings noch gültig, setzt sich die Aufwärtsbewegung fort.
Indikatorenanalyse
Die technische Aktienanalyse hat Schichten und die letzte Schicht sind technische Indikatoren:
NICHT mit Formationen aus dem Chart bewertest du Trends, sondern mit Daten, die du in Indikatoren umrechnest – mit ihnen beantwortest du die üblichen Fragen:
Kommt ein Richtungswechsel? Ist der Kurstrend noch intakt?
Keine Angst: Niemand bittet dich an die Tafel und stellt dir schwere Matheaufgaben.
Die Indikatoren sind meistens im Chart abgebildet; zwei stelle ich dir jetzt vor:
1. Gleitender Durchschnitt (GD)
Der gleitende Durchschnitt (engl. MA: Moving Average) ist wie der Durchschnitt der PISA-Studie:
Wer darüber liegt, ist besser, darunter schlechter.
Der GD addiert die Schlusskurse der Börsentage und teilt sie durch die Anzahl der entsprechenden Börsentage – meistens 20, 50, 100 und 200 Tage.
Am nächsten Tag fällt ein Tag raus und der nächste reiht sich ein; das bedeutet gleitend:
Der gleitende Durchschnitt zieht folglich immer mit.
Doch was offenbart er dir in der technischen Analyse?
- Ansteigender Kurs über dem GD: Wir sind wahrscheinlich in einem Aufwärtstrend.
- Absteigender Kurs unter dem GD: Wir sind wahrscheinlich in einem Abwärtstrend.
Weil viele die GDs nutzen, gelten sie als Basis und Widerstände – an ihnen wird gekauft oder verkauft.
Deshalb sind sie wie eine Grenze hart umkämpft, bremsen Kurse aus, geben neue Impulse und verraten Richtungswechsel.
Eine besondere Form der GDs sind hierbei die exponentiellen GD (engl. EMA: Exponential Moving Average).
In ihnen sind die letzten Tage höher gewichtet – das heißt: Sie beeinflussen den GD überproportional.
Doch warum sollen diese GDs dir etwas nützen in der technischen Analyse?
Ganz einfach: Gerade beim Daytrading folgen ihm viele Marktteilnehmer wie einer Schatzkarte und halten sich an ihn.
Deshalb kannst du NICHT deinen eigenen GD erfinden – niemand kümmert sich um den gleitenden Durchschnitt der letzten 6 Hanukkahs.
2. Handelsvolumen
Was ist das Handelsvolumen?
In der technischen Aktienanalyse zeigt es dir, wie stark ein Wertpapier gehandelt wird.
Gut, und was nützt dir das?
Du erkennst, wie gesund eine Preisbewegung der Finanzmärkte ist – das Volumen soll steigen, wenn der Preis steigt, und fallen, wenn der Preis fällt.
Alles andere ist verdächtig wie eine Blutspur auf dem Bürgersteig.
Hier zwei Beispiele, wenn die Regel gebrochen wird:
- Steigende Kurse, sinkendes Volumen: Das könnte bedeuten, dass der Aufwärtstrend nicht gesund ist – der Preis steigt nicht, weil viele die Aktie wollen, sondern weil sie nur wenige verkaufen.
- Fallende Kurse, steigendes Volumen: Das könnte bedeuten, dass die Preise weiter fallen – viele Leute wollen verkaufen und nur wenige kaufen. Das drückt den Preis.
Wie überall in der technischen Analyse untersuchst du auch hier Trends:
Du beobachtest den ganzen Gartenzaun der Volumenbalken innerhalb eines kurzen Zeitraums (max. ein paar Wochen); nicht zwei Balken nebeneinander.
Quelle Beitragsbild: Foto von Andrea Piacquadio von Pexels
Über den Autor:
Finanz-Enthusiast, Self-Improvement-Sensei und notorischer Wort-Jongleur – diese drei Engel für Charlie bin ich: Robin Prock. Meine Texte entzaubern die Finanzwelt, um sie Dir zerlegt auf dem Silbertablett zu präsentieren. Für Deine finanzielle Bildung und ein selbstbestimmteres Leben.
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