Raus aus dem Hamsterrad

Pascal arbeitet jahrein jahraus und hofft, mit 30 Jahren so viel gespart und verdient zu haben, dass er kürzer treten kann. Doch bisher kam immer etwas dazwischen. Einmal war es ein ps-starkes Auto, sein Jugendtraum, dann eine Freundin, die gerne Handtaschen wollte, aber immer gerne die teuren, dann eine Weiterbildung, die der Arbeitgeber nicht bezahlen wollte, dann dann dann. Mit dem steigenden Lohn stieg auch der Anspruch und der Wunsch, etwas zu konsumieren. Denn für was arbeitet man denn?

Was ist das Hamsterrad?

So oder so ähnlich denken viele Menschen. Eine Belohnung für die Schufterei ist doch nur recht und billig. Und man dürfe ja auch mal gut zu sich sein, im Job ist es schon streng genug. So bauen sich viele selbst ein Hamsterrad, ohne dass sie es bewusst feststellen. Und fertig ist die Lebensmühle, aus der die meisten nicht wieder herauskommen und nicht einmal bemerken, dass sie in der Mühle sind.

Montags sind sie dann schlecht gelaunt und Freitags atmen sie auf, denn “Thank God it is Friday!” Und ab Sonntag-Mittag beschleicht einen ein dumpfes Gefühl, denn der Montag ist nicht mehr weit. Viele kennen dieses Rad der ewigen Wiederkehr.

Das Hamsterrad bedeutet für jeden etwas anderes. Für den einen ist es der Angestellten-Job, für den anderen der ungeliebte Vertrieb als Selbständiger, für die Dritte das Verlassen des Hausfrauen-Daseins und der Übernahme eines angesehenen Jobs, für den man früher einmal studiert hatte, für die Vierte raus aus der Kindererziehung und hinein in eine Aufgabe, die man sich schon lange gewünscht hat, z. B. Weltreise, Ashram o.ä.

Es geht immer darum, aus den gewohnten und alltäglichen Bahnen auszubrechen. Für allgemein wird das mit dem “Hamsterrad verlassen” beschrieben. Manche ödet das Hamsterrad, der berufliche oder private Alltag, an, andere erleben etwas sehr Einschneidendes, was ihr Leben durcheinanderwirbelt.

Wie Joe Curtain sein Hamsterrad zertrümmerte

Für den Künstler Joe Curtain hatte der Ausbruch eine recht dramatische Zuspitzung, denn es fiel beides zusammen, der Ausbruch aus den Hamsterrad und das Zusammenbrechen des Hamsterrades. Im Nachhinein betrachtet war dies eine glückliche Fügung, denn Joe Curtain ging es wie vielen: Warum freiwillig aus der Komfortzone ausbrechen, wenn es darin so gemütlich und kuschelig ist?

Joe Curtain war mehr als zwei Jahrzehnten in einer Kaderfunktion in einer Nonprofit-Organisation tätig. Das war soweit alles in Ordnung, auch wenn sich im Laufe der Jahre Verschleiss-Erscheinungen eingeschlichen haben. Doch insgesamt betrachtet, überwog das Positive das Negative im Verhältnis 60 zu 40. Also: warum etwas ändern, wenn der Rubel rollt, wie man in Russland sagt und insgesamt die Wohnstube immer schön warm war?

Je länger jedoch Joe Curtain am warmen Ofen saß, desto ungemütlicher wurde es ihm. Eigentlich könnte man meinen, es ist umgekehrt. Aber mit den Jahren ging der Zauber des Alltags dahin und die Freude an den – von außen betrachtet – schönen Aufgaben verlor ihre Leuchtkraft. Joe Curtain überlegte schon in den letzten fünf Jahren, ob ein Sabbatical, eine Auszeit von einem Jahr zum Beispiel etwas sein könnte.

Mit dem Stellenwechsel verbunden war auch ein neues Arbeitsteam. Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass der Vorgesetzte ein waschechter verborgener Narzisst ist. Offensichtliche Narzissten erkennt man schnell, aber gerade in sozialen Organisationen gibt es eher verborgene Narzissten. Verborgene Narzissten betonen gerne, wie gut sie sind, was sie alles an Gutem leisten, öffentlichkeitswirksam wird die eigene Wohltätigkeit ins Schaufenster gestellt etc.

Jedenfalls erfuhr Joe Curtain im Laufe der Zeit immer mehr, was es bedeutet, wenn man nicht mit der Meinung des Vorgesetzten einverstanden ist. Das ging schon mal gar nicht. Auch nur leise Kritik am Vorgesetzten war völlig undenkbar und eine Majestätsbeleidigung.

Mit der charismatischen Art gelang es ihm schnell, Menschen für sich einzunehmen. Und dies tat er dann auch zunehmend gegen Joe Curtain. Dies gipfelte in einer beispiellosen Schmierenkampagne, die sogar öffentlich ausgetragen wurde und natürlich in allererster Linie die Organisation beschädigte und im Verlaufe alle Beteiligten.

Der Schaden war so immens, dass der Oberboss gesagt hatte, das ganze Team müsse ausgetauscht werden und selbst auf Administrationsebene rollten die Köpfe. Für Joe Curtain war dies alles wirklich schlimm, um nicht zu sagen, die Hölle: schlaflose Nächte, Selbstvorwürfe, obwohl er objektiv immer kooperationsbereit war, Gedankenkreisen, Depression etc.

Trost war allerdings, dass der Oberboss den Narzissmus des Vorgesetzten erkannte und – zwar sehr diplomatisch – aber im Ergebnis doch sehr konsequent war. Und dies war dann doch ein Trost und eine Genugtuung, hatte doch die Gegenseite mit allen Mitteln versucht, Joe Curtain fertig und nieder zu machen und ihn geradewegs zu zerstören.

Joe Curtain musste eine intensive Reise nach innen antreten. Dies war ihm allerdings keine Last, sondern die Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich war ihm seit vielen Jahren vertraut und er kannte sich schon früher recht gut. Aber dieser Zwang zur Besinnung, zum Retreat, hatte auch seine guten Seiten. Joe Curtain kam wieder neu zur Kunst, die ihn schon früher faszinierte: Schon früher war er gerne als Kurator tätig und das Betrachten der bildenden Kunst bereitete ihm schon früher grosse Freude.

Nun bot sich die Chance, sich selbst kreativ mit der Kunst auseinanderzusetzen und Bilder zu malen, die immer mehr verbessert wurden. Der kreative Schaffensprozess war für ihn eine tiefe und willkommene Abwechslung von dem Höllentrip des versuchten Fertigmachens, dem Rausekeln und dem massiven Mobbings.

Und Joe Curtain erkannte, wie wohltuend und erholsam sowie seelenberuhigend das Malen war. Eine wunderbare Tätigkeit und ein fantastisches Universum öffnete sich für ihn. Er fand sogar so viel Gefallen an dem Schaffen der Kunst, dass er das Hamsterrad des Angestelltendaseins verlassen wollte und dies sogar schaffte, weil sein Umfeld ihn dazu ermutigte.Frau durchbricht das Hamsterrad

Wie kannst Du dein Hamsterrad verlassen?

Doch nicht bei allen gelingt das Verlassen des Hamsterrades. Manche scheitern an ihren Ansprüchen, andere an ihrer Marktanalyse, die in der Realität zeigt, dass kein Bedarf an den angebotenen Basteleien bestand, wieder andere erkennen, dass so ein Angestelltenjob durchaus auch viele Komfort-Vorteile hat, die man mit fortgeschrittenem Alter auch zu schätzen lernt.

Damit der Weg aus dem Hamsterrad kein Irrweg wird, muss nicht immer das Hamsterrad zerbrechen, wie dies bei Joe Curtain der Fall war. Es ist sehr wichtig, dass man sich selbst immer mehr kennen lernt und schaut, was für einen selbst wesentlich ist. In welchem Aggregat-Zustand fühlst Du Dich wohl? Ist es als Selbständiger, ist es als Angestellter, bist Du auch bereit, den Preis dafür zu bezahlen? Als Selbständiger arbeitest Du u.U. sehr hart, Du hast wenig Freizeit, Du kannst Deinen geliebten Hobbies vielleicht nicht mehr nachgehen – sei Dir bewusst, was das heißen kann.

Als Angestellter bist Du immer Deinem Vorgesetzten ausgeliefert und die Willkür des Chefs macht Dich geradezu krank. Der Preis einer verlorenen Gesundheit und von verlorenen Träumen kann immens sein. Bist Du bereit, diesen Preis zu zahlen? Es gäbe im privaten Bereich noch etliche weitere Beispiele, die aufzeigen, dass vor dem Verlassen des Hamsterrades eine eigene Selbst-Analyse zwingend erforderlich ist.

Wenn Du nicht weisst, wer Du bist und was Du willst, kann das Verlassen des Hamsterrades mit sehr hohen Folgekosten verbunden sein. Im Hamsterrad zu bleiben, kann andererseits ebenfalls sehr teuer werden. Horche in Dich hinein und überlege, was Du wirklich willst. Du solltest es Dir Wert sein.

Vielleicht können gute Bücher Inputs geben, das Hören eines Musikstücks oder das Betrachten der Kunst z.B. von Joe Curtain, um einen Schritt weiter zu kommen, aber auch das Mentoring durch wirklich sehr erfahrene Personen, die viel Erfahrung in diesem Bereich haben.


Joe Curtain vor einer LeinwandFrau schaut auf ihr Hamsterrad

Nach einem grobbrutalen Mobbing am Arbeitsplatz besann sich Joe Curtain neu, ordnete sein Leben und konzentrierte sich auf das, was für ihn essentiell im Leben ist: die bildende Kunst. In ihr sieht er die schönste Ausdrucksform des menschlichen Daseins. Er schafft Kunst für das Wesentliche, das heisst für ihn automatisch, für Quality Time und damit gegen Hamsterrad-Zeitverschwendung. Joe Curtain ist Vater von fünf Söhnen mit drei Studienabschlüssen. Seine Site: joecurtain.com

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