Nachhaltiges Investieren: Nur saubere Luft oder heißes Investment?

Ah, Nachhaltigkeit. Ein Wort, das auf der Zunge zergeht wie ein Kilo Zuckerwatte. Es beschwipst das Denken, ist kuschelig wie ein Pelzimitat und gibt uns das Gefühl, mit unserem Geld die Welt zu retten. Aber halt: Ist nachhaltiges Investieren wirklich die Zukunft? – oder nur eine Seifenblase wie Techaktien vor 2000?

Dieser Frage werde ich heute nachgehen – aber aufgepasst: Nachhaltigkeit ist ein riesiger Kuchen aus Bio-Kirschen; nur einzelne Krümel werde ich mit meiner Sezier-Gabel aufpicken können. Dabei werde ich so vorgehen: Erst die Probleme, dann die Chancen und zuletzt ein paar Beispiele nachhaltiger Investments.

Welche Probleme hat nachhaltiges Investieren?

Problem 1: Was ist Nachhaltigkeit?

Nachhaltiges investieren hat sich viele Namen auf die Fahnen geschrieben:

  • ESG (Enviroment Social Governance): Umwelt, soziale Verträglichkeit und korrekte Unternehmensführung
  • SRI (Socially Responsible Investments): Sozial verträgliche/verantwortliche Investitionen; strenger als ESG, weil Branchen-Wertung und die gute/schlechte Presse eines Unternehmens mit einfließen.
  • Sustainability: Nachhaltigkeit

Klingt doch einfach: Wir investieren nur in Unternehmen, die die Umwelt schonen und sozial verträglich sind. Wo ist das Problem? – es ist eben nicht so einfach: Was nämlich sozial verträglich und umweltschonend ist, das bestimmen die Index-Anbieter.

Nehmen wir als Beispiel einen der größten nachhaltigen ETFs auf den MSCI World von UBS: UBS ETF (LU) MSCI World Socially Responsible UCITS ETF (USD) A-dis – WKN: A1JA1R. Der nachhaltige MSCI World nur in Unternehmen, die in ihrem Sektor zu den obersten 5 Prozent gehören – bezogen auf ihre Nachhaltigkeit.

Seine größten Sektoren sind Gesundheitswesen, Informationstechnologie und Finanzdienstleistung. Das Verwirrende: Microsoft als größte Position ist drin, während Apple, Amazon oder Alphabet herausgeflogen sind – das waren andere Top-10er im normalen MSCI World. Wo ist das Problem? Dann ist eben Apple schädlicher als Microsoft. Ist das jedoch so?

Auch Microsoft kann man – unter Umständen – herausklamüsern: Denn auf lange Sicht will das Unternehmen den Temperatur-Anstieg auf 2 Grad begrenzen; Apple oder Cisco setzen sich ein Ziel von 1,5 Grad (Quelle: Arabesque) – wer ist nun umweltfreundlicher? Wer gehört in den Index? Diese Fragen sind verworrener als die Aussprache der isländischen Stadt “Fjarðabyggð”.

Aber da hört es nicht auf: Im UBS MSCI World sind zu 3,67 Prozent auch Öl und Gas drin – Al Gore würde applaudieren. Außerdem bewegen sich auch Rohstoffe mit 4,210 Prozent im Index; und das sind wohl die größten Dreckschleudern.

Damit musst Du allerdings leben: Der Index wählt die obersten 5 Prozent des Sektors; und Energie ist ebenso ein Sektor – auch wenn ein Unternehmen in Öl panscht, es gehört trotzdem zu den obersten 5 Prozent.

Also liegt der Ball bei dir: Ist das für dich nachhaltig genug oder eher ein No-Go?

Das war nur ein Zwergen-Beispiel, aber es zeigt: Soziale Verträglichkeit/Umweltschutz lässt sich nicht über eine Rasta-Locke scheren. Folglich muss jeder Anleger seinen moralischen Kompass selbst austarieren – daran misst er das Anlageprodukt.

Problem 2: Mangelnde Diversifikation

Diversifikation bedeutet: Wir packen nicht alle unsere Anlege-Eier in ein goldenes Körbchen, sondern verteilen sie über verschiedene Anlageklassen, Sektoren, Branchen etc. So vermindern wir das Risiko, weil unsere Anlege-Eier nicht sofort in rote Zahlen auslaufen, sollten sie an einem Unternehmens-Ausfall zerschellen – wir reduzieren also das Risiko, ohne der Rendite zu schaden.

Leider verklumpen unserer Anlagen etwas, indem wir nachhaltig investieren. Nehmen wir wieder den MSCI World; in ihm stecken über 1600 Aktien. Wie viele sind wohl im UBS Fonds von oben? – nur 386. Das ist gerade einmal ein Viertel. SO entgeht uns der gewaltige Vorteil des MSCI Worlds: eben breit in die ganze Welt investiert zu sein.

Problem 3: Höhere Kosten

Alle Mann in Deckung! Binsenweisheit im Anmarsch! Natürlich bezahlst Du als Anleger mehr, wenn Du einen grünen Filter über deine Anlage stülpst. Der Index-Anbieter hat mehr Aufwand, die gewünschten Aktien herauszufischen; daran verdient er sich aber gern eine grünere Nase.

Zusätzlich sind die ethischen ETFs oft physisch replizierend – der Anbieter hält wirklich alle Aktien in seinem Jute-Beutel. Das kostet natürlich ein Quäntchen mehr, die Anleger bevorzugen es aber.

Nur bei aktiven Öko-Fonds solltest Du genauer hinschauen: Für das Güte-Siegel „nachhaltig“ klatschen sie gern ein paar Prozente mehr auf die Kosten. Frage dich also, ob der Fonds wirklich ethisch motiviert ist oder bloß den Öko-Trend reitet?

Hier ein kleiner Kostenvergleich von nachhaltigen und normalen ETFs:

Lyxor MSCI World: 0,12 % Lyxor MSCI World Select ESG Rating: 0,30 %
UBS MSCI Emerging Markets 0,23 % UBS MSCI Emerging Markets SRI 0,35 %

Zugegeben: Das sind ausgewählte Beispiele. Anbieter wie iShares verlangen keinen Aufschlag – die ETFs kosten genauso viel. Aber auch so sind die Kosten zu vernachlässigen; solange Du insgesamt unter 1 Prozent bleibst, machst Du nichts falsch.

Problem 4: Rendite-Durchhänger?

Hier zankt sich noch die Wissenschaft und die Wissenschaftler raufen sich die halb-kahlen Schädel: Bringen nachhaltige Investments weniger Rendite? Die derzeitige Tendenz murmelt ein vorsichtiges „Ja“. In einer Studie von 2019 performten ESG-Anlagen schlechter als braune Anlagen – hier kannst Du die Studie nachlesen.

Aber diese Meinung entwickelt sich noch; eine Meta-Studie von 2015 – sie untersuchte über 2000 Einzelstudien – bereicherte uns mit anderen Ergebnissen: Es gab entweder keinen Zusammenhang zwischen ESG und der Performance; oder ESG befeuerte sogar die Rendite – hier kannst Du die Studie nachlesen.

Also bleiben wir neutral: Ob Nachhaltigkeit ein Viagra ist für unser Portfolio oder ein Durchhänger, das steht noch aus.

Nachhaltiges Investieren: Was kann es Dir bieten?

Vorteil 1: Politik und Unternehmen gehen in Richtung Nachhaltigkeit

Schon 2015 haben sich die Vereinten Nationen 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung gesetzt – damit bekämpfen sie die globale Erwärmung, Verletzungen der Menschenrechte oder Wasserverschwendung. Alle Ziele kannst Du hier nachlesen.

Aber auch unsere EU zieht nach: Unter den sechs Prioritäten der EU Kommission streckt sich auch der „European Green Deal“. Damit fördert die EU energisch Nachhaltigkeit.

Noch ein Beispiel gefällig? Auch die Unternehmen reiben sich die verschlafenen Augen: Blackrock, der größte Vermögensverwalter der Welt, setzt in Zukunft auf Nachhaltigkeit und klimafreundliche Portfolios – hier kannst Du den Brief von Larry Fink (Vorstandsvorsitzender) darüber nachlesen.

Also: Billionen werden in Nachhaltigkeit gespült; Dreckschleudern kommen langfristig ins Schlingern. Die Richtung ist also vorgegeben: Umweltfreundlichkeit und soziale Verträglichkeit sind die Zukunft der Wirtschaft und Politik. Welches Unternehmen nicht mit auf den Zug springt, verendet am Bahnhof der Zuspät-Kommer.

Solltest Du deshalb gleich mit aufspringen und dein ganzes Portfolio umwerfen? Bloß nicht! Das ist eine langfristige Entwicklung; nicht von heute auf morgen wird die ganze Wirtschaft umgestellt. Schmeiße also nicht deine Strategie über den Haufen, nur weil die Angst juckt, zu spät zu kommen – das machen nur schlechte Investoren.

Langfristig kannst Du gerne nachhaltiger investieren, aber das ist deine eigene, überlegte Entscheidung – lass dich nicht überrumpeln und bleibe deinen Anlage-Prinzipien treu.

Vorteil 2: Nachhaltigkeit ist ein All-You-Can-Eat-Buffet

Große Auswahl stresst zwar, muss aber kein Nachteil sein: Jeder kann sich sein Nachhaltigkeits-Portfolio selbst zusammenbasteln – und zwar nach seinen persönlichen Richtlinien. Wie ein Sumoringer wabbelt er um das ETF-Buffet und haut sich den Teller voll. Was darf’s denn sein?

  • Kein Tabak? – dann nehme „ex Tabacco“
  • Wenig Kohle? – dann schlage zu bei “Low Carbon“
  • Ohne Fossile Brennstoffe? – entscheide dich für „Reduced Fossil Fuels“
  • Du willst die grüne Technologie der Zukunft? – haue dir “Disruptive Technology ESG Filtered” auf den Teller.

Die Möglichkeiten sind endlos; nur musst Du dich kennen. Was ist für dich nachhaltig? Mit was kannst Du leben? Definiere das zuerst, dann verschraubst Du dein Portfolio.

Nachhaltig investieren ist genau dein Ding? – dann sei gespannt auf den nächsten Abschnitt: Ich stelle dir ein paar Anlagen vor, wie Du dir ein nachhaltiges Portfolio zusammenstellen könntest. Aber sie dienen bloß als Information, nicht als Anlage-Empfehlung!

Welche nachhaltigen Anlagen gibt es?

1. Nachhaltiges Banking.

Verstaust Du Geld auf der Bank, erhält diese einen Freifahrtschein: Sie kann damit machen, was sie will – solange sie es dir auf Befehl zurückgibt. Ob Waffen finanzieren, Afrika das Wasser wegpumpen oder die Umwelt vergiften; die Bank entscheidet, in was sie investiert. Wer das nicht will, findet hier grüne Banken à la carte – sie investieren nur in nachhaltige Projekte:

2. Nachhaltige ETFs

Davon habe ich dir oben einige vorgestellt; aber im Grunde hat sie fast jeder Anbieter im Angebot. Die besten Anbieter sind wohl iShares und Lyxor, weil ihre Preise am Günstigsten sind – aber das muss jeder selbst entscheiden!

Aber ein Problem gibt es: Nicht viele Broker vertreiben Sparpläne für nachhaltige ETFs. Am ehesten fündig wirst Du wohl bei diesen:

3. Nachhaltige Aktien

Klar: Aktien haben immer das Klumpen-Risiko; dein Geld verklumpt in ein paar Unternehmen und löst sich in Verlusten auf wie eine Brausetablette, sobald die Unternehmen kippen. Das ist bei nachhaltigen Branchen sehr wahrscheinlich; denn sie setzen oft auf Subventionen – ändern sich die Gesetze, ändert sich die Rendite gleich mit.

Das sind nachhaltige Branchen mit Beispielen (Keine Empfehlung!):

  • Wasseraktien: American Water Works, Evoqua Water, Pentair
  • Solaraktien: Canadian Solar IncShs, Neoen SPA, SunPower Corp
  • Landwirtschaft: Beyond Meat, John Deer

4. Robo-Advisor

Robo-Advisor legen automatisch dein Geld an – Du wählst eine Strategie und bist investiert. Danach kümmerst Du dich um gar nichts mehr; das spart zwar Aufwand, kostet jedoch etwas mehr und raubt dir die Kontrolle.

Diese Robo-Advisor haben grüne Portfolios:

5. Crowdinvesting

Bei Crowdinvesting wirst Du ein Kapitalgeber. Du unterstützt Start-Ups und wirst am Gewinn beteiligt – oder erhältst eine jährliche Rendite. Aber hier lauert ein hohes Risiko: Dein Geld ist nachrangig. Geht das Unternehmen pleite – was oft vorkommt – wirst Du als letztes ausbezahlt, falls überhaupt Geld übrig bleibt.

Beispiele sind:

Fazit

Wie süß nachhaltig auch im Trommelfell zwitschert: Lass dich nicht blenden! Nur weil nachhaltig Investieren draufsteht, ist nicht immer das Gewünschte drin – schlimmstenfalls ist lediglich die Verpackung schön, aber das Innere ranzig.

Klar: Du willst etwas bewirken und Gutes tun, aber achte zuerst auf dich – wenn Du dein Geld versenkst, entfällt auch ein gesunder Lebensstil und nachhaltiges Investieren. Vergiss deshalb nie den roten Faden guter Anlagen: Kosten, Rendite, Transparenz, Sicherheit und Verfügbarkeit. Erst wenn das stimmt, darf sich Nachhaltigkeit einreihen!

Aber welche Möglichkeiten hast Du jetzt genau? Das muss dein Gewissen entscheiden, aber ich sehe 4 Stück:

  1. Du pfeifst drauf und investierst wie immer.
  2. Du investierst wie immer aber spendest und führst einen nachhaltigen Lebensstil.
  3. Du investierst tlw. nachhaltig.
  4. Du investierst nur nachhaltig.

Egal, wie Du dich entscheidest: Es ist dein Weg – lass Dich nicht kirre machen von Trends, sondern folge deiner Strategie.

Empfehlungen zum Nachschauen auf YouTube:

echtgeld.tv: Nachhaltiges Investieren.

Madame Moneypenny: Grünes Geld – wie investiere ich nachhaltig?

 

Investierst Du bereits nachhaltig? Bist Du damit zufrieden? – lasse es mich in den Kommentaren wissen :).


Junge schaut in die Kamera.

Finanz-Enthusiast, Self-Improvement-Sensei und  notorischer Wort-Jongleur – diese drei Engel für Charlie bin ich: Robin. Meine Texte entzaubern die Finanzwelt, um sie Dir zerlegt auf dem Silbertablett zu präsentieren. Für Deine finanzielle Bildung und ein selbstbestimmteres Leben.

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Robin Prock

5 Gedanken zu „Nachhaltiges Investieren: Nur saubere Luft oder heißes Investment?“

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