Immer mehr Menschen in Deutschland spielen mit dem Gedanken, ihren Wohnsitz ins Ausland zu verlegen – sei es aus steuerlichen Gründen, wegen des besseren Wetters oder einfach, um ein freieres Leben zu führen. Doch wer diesen Schritt gehen möchte und dabei Anteile an einer Kapitalgesellschaft hält – etwa an einer GmbH, UG oder AG –, sollte sich frühzeitig mit einem entscheidenden Begriff auseinandersetzen: der Wegzugsbesteuerung.

Diese kann schnell zur finanziellen Belastung werden und trifft vor allem Unternehmer, Investoren und Selbstständige, die ihr Unternehmen nicht verkaufen, sondern einfach nur „mitnehmen“ wollen. Aber warum verlangt der deutsche Staat in so einem Fall plötzlich Steuern – obwohl überhaupt kein Verkauf stattgefunden hat? Genau das schauen wir uns jetzt im Detail an.

Was ist die Wegzugsbesteuerung?

Die Wegzugsbesteuerung ist im deutschen Außensteuergesetz (§ 6 AStG) geregelt. Der Gesetzgeber geht dabei von einem einfachen, aber weitreichenden Prinzip aus: Wenn jemand Deutschland dauerhaft verlässt, soll er seine steuerlichen Verpflichtungen nicht einfach mitnehmen können, sondern muss seine „steuerlichen Altlasten“ vorher begleichen.

Konkret betrifft die Wegzugsbesteuerung Menschen, die mindestens 1 % an einer Kapitalgesellschaft halten und ihren steuerlichen Wohnsitz ins Ausland verlegen. Der deutsche Staat unterstellt in diesem Fall einen fiktiven Verkauf der Anteile – auch wenn es in Wirklichkeit gar keinen Verkauf gegeben hat. Dadurch entsteht ein fiktiver Veräußerungsgewinn, der mit dem individuellen Einkommensteuersatz versteuert werden muss.

Das bedeutet in der Praxis: Wenn Deine GmbH im Laufe der Jahre an Wert gewonnen hat, möchte das Finanzamt diesen Gewinn steuerlich „mitnehmen“, bevor Du das Land verlässt – unabhängig davon, ob Du überhaupt liquide Mittel zur Verfügung hast.

Warum gibt es diese Steuer überhaupt?

Die Wegzugsbesteuerung ist eine Art Sicherheitsnetz des deutschen Fiskus. Sie soll verhindern, dass Unternehmer oder Investoren ins Ausland ziehen und dort eines Tages ihre Unternehmensanteile verkaufen – ohne dass Deutschland jemals etwas davon sieht. Wenn Du also in Deutschland über Jahre hinweg stille Reserven aufgebaut hast, zum Beispiel weil Deine GmbH an Wert gewonnen hat, möchte der Staat seinen Anteil an diesem Gewinn sichern, bevor Du unter eine andere Steuerhoheit fällst.

Das betrifft vor allem Menschen mit langfristiger unternehmerischer Tätigkeit, typischerweise Gesellschafter-Geschäftsführer, aber auch stille Beteiligte oder Investoren. Selbst Minderheitsbeteiligungen können unter die Wegzugsbesteuerung fallen – die Schwelle liegt bei lediglich einem Prozent.

Wie wird der fiktive Gewinn berechnet?

Die Berechnung des fiktiven Veräußerungsgewinns erfolgt auf Basis der Differenz zwischen dem Anschaffungspreis Deiner Anteile und dem aktuellen Marktwert. Letzterer wird durch eine Unternehmensbewertung geschätzt, oft unter Zuhilfenahme von Bewertungsverfahren wie dem Ertragswertverfahren oder dem Discounted Cashflow-Modell.

Wenn Du zum Beispiel Anteile an einer GmbH im Jahr 2015 für 20.000 € erworben hast und diese heute einen Marktwert von 200.000 € haben, beträgt Dein fiktiver Gewinn 180.000 €. Auf diesen Gewinn musst Du Einkommensteuer zahlen – auch wenn Du weder Geld erhalten noch einen Verkauf vorgenommen hast. Das kann schnell zu einem Problem werden, vor allem wenn Dein Vermögen gebunden ist und Du keine Rücklagen gebildet hast.

Wann genau greift die Wegzugsbesteuerung?

Die Steuerpflicht entsteht in dem Moment, in dem Du Deinen steuerlichen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufgibst. Das ist in der Regel der Zeitpunkt der Abmeldung beim Einwohnermeldeamt. Entscheidend ist nicht nur, wo Du physisch lebst, sondern auch, ob Du nach deutschen Maßstäben noch als unbeschränkt steuerpflichtig giltst.

Übrigens: Selbst wenn Du noch gelegentlich nach Deutschland zurückkehrst, z. B. um Familie zu besuchen, kann das Finanzamt prüfen, ob Du wirklich ausgewandert bist – oder ob es sich um eine Scheinverlagerung handelt. In der Praxis wird deshalb genau hingeschaut: Wo verbringst Du die meiste Zeit im Jahr? Hast Du eine Wohnung in Deutschland? Wo befindet sich Dein Lebensmittelpunkt?

Abbildung mit einem Steuerdokument, einer Deutschlandkarte, einem auf einen Reisepass zeigenden Pfeil und einem Flugzeug, darüber steht das Wort „Wegzugsbesteuerung“.

Was passiert, wenn ich in die EU oder den EWR auswandere?

Eine wichtige Ausnahme gibt es für Menschen, die innerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ihren Wohnsitz verlegen. In diesem Fall kannst Du eine Stundung der Wegzugsbesteuerung beantragen. Die Steuer wird dann nicht sofort fällig, sondern erst im Fall eines echten Verkaufs der Anteile – unter der Bedingung, dass bestimmte Meldepflichten und Fristen eingehalten werden.

Diese Stundung ist jedoch nicht automatisch, sondern muss aktiv beim Finanzamt beantragt werden. Zudem kann das Finanzamt Sicherheiten verlangen, wie zum Beispiel eine Bürgschaft oder eine Grundschuld. Wer seinen Wohnsitz in ein Drittland wie Dubai, Paraguay oder Thailand verlegt, kann diese Stundung nicht nutzen – hier wird die Steuer sofort fällig.

Gibt es legale Möglichkeiten, die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden?

Ja – wer rechtzeitig plant, kann die Wegzugsbesteuerung unter bestimmten Voraussetzungen vermeiden oder zumindest steuergünstig gestalten. Eine bewährte Möglichkeit ist die Gründung einer Holdingstruktur. Dabei werden die Anteile an Deiner operativen GmbH auf eine Holding übertragen, die wiederum Dir gehört. Diese Struktur erlaubt es, Gewinne steuerbegünstigt weiterzuleiten und kann – wenn richtig aufgesetzt – im Rahmen der Wegzugsbesteuerung Vorteile bringen.

Auch das rechtzeitige Verkaufen oder Übertragen von Anteilen vor dem Wegzug kann in bestimmten Fällen sinnvoll sein – beispielsweise an Familienmitglieder, eine Stiftung oder eine Gesellschaft im Inland. Wichtig ist dabei, dass Du alle Maßnahmen frühzeitig mit einem auf internationales Steuerrecht spezialisierten Berater abstimmst. Denn der Teufel steckt im Detail – und bei einer falschen Gestaltung kann es passieren, dass Du am Ende doppelt besteuert wirst.

Fazit: Die Wegzugsbesteuerung ist planbar – aber niemals zu unterschätzen

Die Wegzugsbesteuerung ist eine der häufigsten Stolperfallen für Unternehmer, die Deutschland verlassen wollen. Sie wirkt auf den ersten Blick unfair – schließlich verlangt der Staat eine Steuer auf einen Gewinn, den Du nicht realisiert hast. Doch sie ist gesetzlich verankert und kann massive finanzielle Auswirkungen haben, wenn sie nicht richtig eingeplant wird.

Deshalb gilt: Wenn Du vorhast, ins Ausland zu gehen und dabei Anteile an einer Kapitalgesellschaft hältst, solltest Du das Thema Wegzugsbesteuerung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wer frühzeitig plant, kann in vielen Fällen eine gute Lösung finden – sei es durch Stundung, Umstrukturierung oder gezielte Steuerplanung.

Sprich auf jeden Fall mit einem Experten, bevor Du einen Schritt wie die Abmeldung oder Wohnsitzverlagerung vornimmst. Denn: Wer unvorbereitet auswandert, zahlt oft drauf. Wer strategisch handelt, kann sich dauerhaft viel Geld sparen.