Die drohende Zahlungsunfähigkeit der ersten Pflegekasse-Pleite nach einer jüngsten Beitragserhöhung hat die Debatte über die finanzielle Stabilität des Pflegesystems in Deutschland neu entfacht. Der Präsident des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS), Frank Plate, bestätigte, dass ein entsprechender Antrag auf Finanzhilfe eingegangen sei. Die betroffene Pflegekasse verwaltet rund eine halbe Million Versicherte und wird voraussichtlich bis Dezember 2025 auf finanzielle Unterstützung angewiesen sein. Diese Entwicklung könnte sich als ein Dominoeffekt erweisen, der weitere Pflegekassen in finanzielle Schwierigkeiten bringt und letztlich das gesamte System belastet.

Pflegekasse-Pleite: Finanzielle Schieflage und systemische Schwächen

Die aktuelle Situation zeigt, dass die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung (SPV) trotz der jüngsten Beitragserhöhung nicht nachhaltig gesichert ist. Zu Jahresbeginn stieg der Beitragssatz zur SPV auf 3,6 Prozent des Bruttolohns, für Kinderlose sogar auf 4,2 Prozent. Trotz dieser Maßnahmen wird nun deutlich, dass die zusätzlichen Einnahmen nicht ausreichen, um die steigenden Kosten zu decken.

Ein zentrales Problem besteht darin, dass die Zahl der Pflegebedürftigen stetig wächst. Zwischen 2022 und 2023 stieg die Anzahl der Menschen, die Pflegeleistungen erhalten, um rund 360.000 auf insgesamt 5,2 Millionen an. Gleichzeitig werden die Ausgaben durch gesetzliche Verpflichtungen und staatlich auferlegte Kosten in die Höhe getrieben. So mussten die Pflegekassen während der Corona-Pandemie mehr als fünf Milliarden Euro an zusätzlichen Kosten stemmen, unter anderem für flächendeckende Tests in Pflegeeinrichtungen. Diese finanziellen Belastungen wurden nicht durch staatliche Zuschüsse kompensiert, sondern mussten von den Kassen getragen werden.

Der Ausgleichsfonds als kurzfristige Lösung

Um kurzfristig Abhilfe zu schaffen, existiert ein Ausgleichsfonds, aus dem notleidende Kassen finanzielle Unterstützung erhalten können. Doch dieser Mechanismus birgt ein strukturelles Problem: Diejenigen Kassen, die finanziell besser dastehen, müssen in den Fonds einzahlen. Dadurch geraten sie selbst unter Druck, was letztendlich das gesamte System destabilisieren kann. Kassenvertreterinnen wie Anne-Kathrin Klemm vom Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK) warnen vor einer Abwärtsspirale, in der immer mehr Kassen auf Finanzhilfen angewiesen sein könnten.

Politische Reaktionen und Reformbedarf

Die Bundesregierung hatte die jüngste Beitragserhöhung als ausreichende Maßnahme zur Stabilisierung der Pflegeversicherung bis mindestens Ende 2025 dargestellt. Doch Experten aus den Krankenkassen und Verbänden sahen dies bereits im Vorfeld kritisch. Sie hatten eine doppelt so hohe Anhebung des Beitragssatzes als notwendig erachtet. Nun zeigt sich, dass ihre Warnungen berechtigt waren.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte ursprünglich eine tiefgreifende Reform der Pflegeversicherung angekündigt, die bislang nicht umgesetzt wurde. Die steigenden Kosten für Pflegekräfte, die zunehmende Zahl der Pflegebedürftigen und die langfristigen demografischen Entwicklungen erfordern jedoch grundlegende Änderungen im Finanzierungssystem. Christoph Straub, Vorstandschef der Barmer Ersatzkasse, fordert unter anderem, dass die Pflegeversicherung von versicherungsfremden Leistungen entlastet wird. Dazu gehören insbesondere die Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige, die derzeit aus den Pflegebeiträgen finanziert werden. Allein diese Ausgaben belaufen sich auf rund vier Milliarden Euro jährlich.

Herausforderungen für Pflegebedürftige

Die finanziellen Schwierigkeiten der Pflegekassen haben nicht nur Auswirkungen auf die Kassen selbst, sondern auch auf Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Die Pflegeversicherung ist von Beginn an als Teilkaskoversicherung konzipiert, das heißt, sie deckt nicht alle Kosten, sondern nur einen Teil. Die verbleibenden Eigenanteile sind in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Heute müssen Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen im Schnitt rund 3.000 Euro pro Monat aus eigener Tasche zahlen. Viele Rentner können sich das nicht leisten und sind auf Sozialhilfe angewiesen.

Die Bundesregierung hatte in der Vergangenheit Maßnahmen ergriffen, um die Belastung zu reduzieren. So wurden die privat zu zahlenden Anteile in Pflegeheimen gedeckelt. Doch das Problem bleibt bestehen: Die Kosten steigen weiter, und ohne strukturelle Reformen wird sich die finanzielle Lage weiter zuspitzen.

Ein älterer Herr spaziert sicher mit seinem Gehwagen durch einen sonnendurchfluteten Park im Herbst und ist sich der ihn umgebenden Sorgen wie der Pflegeversicherung überhaupt nicht bewusst.

Pflegekasse-Pleite: Was muss geschehen?

Es gibt verschiedene Ansätze, um die Pflegeversicherung langfristig zu stabilisieren. Experten fordern vor allem eine höhere staatliche Beteiligung an den Pflegekosten. So könnte der Bund beispielsweise die Übernahme der Corona-Kosten in mehreren Abschlagsbeträgen leisten, wie es Krankenkassenvertreter vorschlagen. Auch eine grundlegende Strukturreform der Pflegeversicherung wird als notwendig angesehen. Dazu könnte gehören, dass mehr Steuerzuschüsse in das System fließen, um die Beitragssätze stabil zu halten.

Ein weiteres Problem ist die Finanzierung der Pflegeleistungen für Bürgergeldempfänger. Derzeit werden für diese Gruppe nur reduzierte Beiträge in die Pflegeversicherung eingezahlt, was die finanzielle Belastung der Pflegekassen zusätzlich verstärkt. Hier fordern die Kassen, dass der Staat höhere Beiträge für diese Versicherten übernimmt.

Langfristig muss sich das System auch an die demografische Entwicklung anpassen. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird weiter steigen, während die Zahl der Beitragszahler zurückgeht. Dies erfordert neue Finanzierungsmodelle, beispielsweise eine kapitalgedeckte Pflegezusatzversicherung oder eine breitere Finanzierung durch allgemeine Steuermittel.

Fazit: Die Zukunft der Pflegekassen und drohende Pflegekasse-Pleite

Die finanzielle Krise der Pflegekassen zeigt deutlich, dass das aktuelle System an seine Grenzen stößt. Die Beitragserhöhung zu Jahresbeginn hat sich als unzureichend erwiesen, um die langfristige Finanzierung der Pflegeleistungen zu sichern. Ohne umfassende Reformen droht eine zunehmende Belastung der Beitragszahler und eine Verschlechterung der Pflegeleistungen. Der Staat ist gefordert, schnell zu handeln und nachhaltige Lösungen auf den Weg zu bringen, um die Pflegeversicherung langfristig zu stabilisieren. Ob es der Politik gelingt, eine tragfähige Lösung zu finden, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.