Eine Haftpflichtversicherung ist ein Versicherungsvertrag, der einen Versicherer zum Ausgleich von Vermögensnachteilen infolge von gegen den Versicherten gerichteten Schadensersatzansprüchen verpflichtet. Der Versicherer stellt den Versicherten von begründeten Ansprüchen Dritter frei oder wehrt auf seine Kosten unbegründete Ansprüche ab; dieser passive Rechtsschutz ergänzt den aktiven der Rechtsschutzversicherung.
Gesetzliche und vertragliche Rahmenbedingungen
Schadensersatzansprüche können begründet sein, wenn der Versicherungsnehmer
eine Vertragspflicht verletzt und nicht belegen kann, dass dies nicht schuldhaft geschah § 280 BGB oder
eine Sorgfaltspflicht schuldhaft verletzt hat (deliktische Haftung; vgl. § 823 BGB) oder
sich gefahrerhöhend verhalten hat (Gefährdungshaftung)
und dadurch einem Dritten Schaden zugefügt hat. Bei Verletzungen der Vertragspflichten ist zu beachten, dass viele daraus entstehende Schäden von der Haftpflichtversicherung nicht übernommen werden.
Die meisten Haftpflichtversicherungen sind freiwillig. Zwingend sind Haftpflichtversicherungen lediglich in den Bereichen, die der Gesetzgeber für besonders risikoträchtig hält. Wegen der Betriebsgefahr, die von einem Kraftfahrzeug ausgeht, müssen beispielsweise Fahrzeughalter eine Kfz-Haftpflichtversicherung abschließen. Wegen der Gefahr, die vom Gebrauch von Schusswaffen ausgeht, bedürfen Jäger einer Jagdhaftpflichtversicherung. Keine Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung besteht z. B. für Tierhalter (von einigen Ausnahmen abgesehen).
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Haftpflichtversicherungen finden sich in Deutschland in den §§ § 100 bis § 124 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG).
In Österreich regeln die §§ 149 bis 158i des Versicherungsvertragsgesetzes (VersVG) die Rechte und Pflichten von Versicherungsnehmer und Versicherer.
In der Schweiz ist diese Versicherungsform teils ebenfalls im Versicherungsvertrags-Gesetz (VVG) geregelt.
Den vertraglichen Rahmen gestalten Allgemeine Geschäftsbedingungen, nämlich die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB), Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft und Vorlage für die meisten verwendeten Bedingungen, sowie Risikobeschreibungen und Besondere Bedingungen, die die AHB zu den einzelnen Arten der Haftpflichtversicherung ergänzen und anpassen. Berufshaftpflichtversicherungen und Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen haben teilweise abweichende Allgemeine Bedingungen, ebenso die einheitlich vorgegebenen AKB zur Kfz-Haftpflichtversicherung.
Arten der Haftpflichtversicherung
Haftpflichtversicherungen lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien einteilen, z. B. danach, ob sie private oder berufliche Risiken absichern, oder danach, ob es sich um eine freiwillige Haftpflichtversicherung oder eine Pflichthaftpflichtversicherung handelt.
Typische Haftpflichtversicherungen für private Risiken
Privathaftpflichtversicherung (PHV) zur Abdeckung der Haftpflicht-Risiken als Privatperson aus den Situationen des täglichen Lebens, insbesondere nach § 823 BGB;
Kfz-Haftpflichtversicherung, die die Haftpflicht für durch Gebrauch des Kraftfahrzeugs verursachte Schäden abdeckt, in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wie in den meisten anderen Ländern, als Pflichtversicherung ausgestaltet, ohne deren Abschluss Kraftfahrzeuge nicht für den Straßenverkehr zugelassen werden (Rechtsgrundlage in Deutschland: Pflichtversicherungsgesetz)
Tierhalterhaftpflichtversicherung (THV) zur Absicherung der besonderen Haftungsrisiken als Halter von Tieren, insbesondere nach § 833 BGB;
Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung (HUG), Versicherung gegen Haftpflichtschäden, die durch oder im Bereich von Häusern sowie Grund und Boden entstehen
Gewässerschadenhaftpflichtversicherung zur Absicherung gegen die Folgen von Gewässerschäden durch Öltanks und sonstigen Anlagen mit wassergefährdenden Stoffen
Wassersporthaftpflichtversicherung Versicherung gegen wassersportbedingte Schäden, insbesondere auch die Schiffshaftpflichtversicherung, analog zur Kfz-Haftpflichtversicherung meist eine Pflichtversicherung
Jagdhaftpflichtversicherung zur Absicherung gegen durch die Jagdausübung verursachte Haftpflichtschäden
Bauherrenhaftpflichtversicherung Versicherung gegen Haftpflichtschäden im Zusammenhang mit Bauvorhaben
Typische Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherungen
Berufshaftpflichtversicherung bzw. Amtshaftpflichtversicherung zur Absicherung beruflich verursachter Schäden gegenüber Dritten, etwa
als Arbeitnehmer oder Beamter über die Amtshaftpflichtversicherung oder die Diensthaftpflichtversicherung, eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung
als freiberuflich tätiger Arzt: Arzthaftung
als freier Architekt oder Bauingenieur
als Angehöriger der rechts- und steuerberatenden Berufe, also Rechtsanwalt, Notar, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer: Vermögensschadenhaftpflicht
als Vormund oder Betreuer,
verschiedenen Betriebshaftpflichtversicherungen, zur Abdeckung gewerblicher und industrieller Risiken von Unternehmen, insbesondere der
Gewerbe- und Industriehaftpflicht, in Deutschland nach dem Haftpflichtgesetz unter Einschluss der Produkthaftpflicht
Umwelthaftpflicht
sog. D&O-Versicherung, eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Organe von Unternehmen.
Typische Pflichthaftpflichtversicherungen
Kfz-Haftpflichtversicherung (§ 1 PflVG)
Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte (vgl. § 51 BRAO)
Berufshaftpflichtversicherung für Versicherungsvermittler und -berater (vgl. § 34d Abs. 2 Nr. 3, § 34e Abs. 2 GewO i. V. m. § 8 bis § 10 VersVermV)
Haftpflichtversicherung für Betreuungsvereine (vgl. § 1908f BGB)
Ausschlüsse
Ausschlüsse legen fest, in welchen Fällen kein Versicherungsschutz besteht. Sie finden sich in den AHB, aber z. B. auch in den die AHB ergänzenden Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) des jeweiligen Versicherungsvertrages. Ihre Funktion besteht darin, den Versicherungsschutz einzuschränken, z. B. weil der Versicherer für ein bestimmtes Verhalten generell keinen Versicherungsschutz bieten möchte (Beispiel: der Versicherungsnehmer hat den Schaden vorsätzlich herbeigeführt) oder weil er Versicherungsschutz für das ausgeschlossene Risiko nur im Rahmen spezieller Haftpflichtversicherungen anbieten möchte.
Typische Ausschlüsse der Allgemeinen-Haftpflicht-Bedingungen
vorsätzlich herbeigeführte Schäden (bei grober Fahrlässigkeit bleibt der Versicherungsschutz gleichwohl bestehen; vergleiche § 103 (besondere Regelung für die Haftpflichtversicherung) im Gegensatz zu § 81 (allgemeine Regelung für die Schadenversicherung) VVG)
Ansprüche zwischen Familienangehörigen, soweit diese im gleichen Haushalt leben, oder gesetzlichen Vertretern des Versicherten
Ansprüche zwischen Personen, die Versicherungsschutz aus demselben Versicherungsvertrag haben (hiernach sind durch einen Versicherten verursachte Schäden bei einem Mitversicherten nicht versichert, z. B. Sach- und Vermögensschäden des Autobesitzers als Beifahrer bei einem durch einen anderen Fahrer des eigenen Wagens verursachten Unfall)
Schäden an fremden Sachen, die der Versicherungsnehmer tatsächlich besitzt, aufgrund etwa von Miete, Leihe, Leasing, Pacht, verbotener Eigenmacht oder die er aufgrund vertraglicher Vereinbarung verwahrt (hier sei bemerkt, dass Mietobjekte eine Ausnahme darstellen; Mietsachschäden sind bei den meisten Anbietern zumindest bis zu vertraglich festgelegten Grenzen innerhalb der Versicherungssumme mitversichert, manchmal sogar bis zur kompletten Höhe der Versicherungssumme. Ausgenommen hiervon wiederum sind oftmals Schäden an der Objektverglasung und Elektroinstallation, die separat versichert werden sollten.)
Schäden an fremden Sachen, die der Versicherungsnehmer bearbeitet
Umwelt-, Strahlen- und Asbestschäden
bei der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung auch Schäden aus kaufmännischer und spekulativer Geschäftstätigkeit.
Beispielhaft sei auf die Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) verwiesen, die über die Homepage des GDV aufgerufen werden können, dort Ziffer 7 AHB.
Mittlerweile werden von vielen Versicherungen allerdings auch umfangreichere Verträge angeboten, die gegen höhere Prämien einige der ansonsten ausgeschlossenen Schäden absichern. Außerdem gibt es bei ähnlichen Prämien teilweise durchaus erhebliche Unterschiede zwischen dem Leistungsumfang verschiedener Anbieter. So bieten einige Anbieter inzwischen auch spezialisierte Tarife und Versicherungsbedingungen für andernfalls ausgeschlossene branchenspezifische Berufsrisiken an.
Versicherungspolicen im Test
Die Zeitschrift Finanztest der Stiftung Warentest hat einen sogenannten „Grundschutz“ definiert, den eine gute Privat-Haftpflichtpolice haben sollte. In ihrer jüngsten Untersuchung der Versicherungsart im Oktober 2017 hat die Stiftung Warentest 90 von 218 Privathaftpflichtversicherungen die Bestnote verliehen. 89 Versicherungen wurden als „gut“ bewertet und 12 Tarife als „ausreichend“ oder „mangelhaft“. Dem aktuellen Test zufolge seien zudem neue Policen häufig deutlich besser als alte. Daher empfiehlt die Stiftung Warentest einen Vergleich und gegebenenfalls einen Wechsel des Tarifs.
Dauer des Versicherungsverhältnisses
Die Haftpflichtversicherung wird regelmäßig auf ein oder mehrere Jahre abgeschlossen und verlängert sich automatisch, wenn sie nicht fristgerecht vor Ablauf des Vertrags gekündigt wird. Bei den meisten Gesellschaften beträgt die Kündigungsfrist 3 Monate vor dem Ablaufdatum. Generell darf die Vertragsdauer seit der VVG-Reform 2008 maximal drei Jahre betragen. Unabhängig von der vereinbarten Laufzeit kann der Vertrag von beiden Seiten nach einem abgelehnten oder auch regulierten Schadensfall gekündigt werden. Erfolgt die Kündigung seitens Versicherer – beispielsweise aufgrund von mehreren, sehr teuren Schadensfällen innerhalb eines Jahres – beträgt die Kündigungsfrist in der Regel vier Wochen. Ist es in der Vergangenheit häufiger zu Schadensfällen gekommen, kann es unter Umständen länger dauern, einen neuen Versicherer zu finden. Denn anders als eine Kfz-Haftpflichtversicherung ist die Privat-Haftpflichtversicherung nicht verpflichtet, einen neuen Versicherten aufzunehmen.[3] Bei einer Beitragserhöhung steht dem Versicherungsnehmer ebenso ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Hier beträgt die Frist einen Monat ab dem Zugang der Schadensablehnung, Schadenvollregulierung oder auch Beitragserhöhung.
Kosten-Nutzen-Analyse
Die private Haftpflichtversicherung schützt den Versicherungsnehmer vor den Schäden, die er im Rahmen seiner privaten Lebensführung schuldhaft verursacht. Besteht kein Versicherungsschutz, muss der Schadensverursacher für Schäden ohne eine Obergrenze seiner Haftung mit seinem gesamten auch zukünftigen Vermögen eintreten.
Die Betriebshaftpflichtversicherung sieht häufig eine Selbstbeteiligung vor, um den Versicherungsbeitrag in wirtschaftlich vernünftigem Rahmen zu halten und den Versicherungsnehmer am wirtschaftlichen Risiko zu beteiligen.
Zwar schließt der Versicherungsnehmer die Haftpflichtversicherung zunächst nur im eigenen Interesse ab, um sich für den Fall von Ansprüchen abzusichern, jedoch hat die Haftpflichtversicherung darüber hinaus den sozialen Zweck, dem häufig schuldlos Geschädigten eine angemessene Entschädigung seiner berechtigten Ansprüche zu sichern. Daher fällt die Entschädigungsforderung wirtschaftlich nicht in das Vermögen des Versicherungsnehmers, weshalb er darüber keine Verfügung treffen kann. Der Geschädigte kann deshalb auch im Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers eine abgesonderte Befriedigung fordern.
In der Kfz-Haftpflicht ist abweichend hiervon ein direkter Anspruch des Geschädigten gegenüber dem Versicherer begründet. 67 % der Bundesbürger besitzen eine Privat-Haftpflichtversicherung. Wer durch eine nicht versicherte Person geschädigt wird (z. B. durch eine mittellose Person) geht häufig leer aus. Um dieses Risiko aufzufangen, bieten die Versicherer – gegen einen zusätzlichen Beitrag – im Rahmen von Sonderbedingungen, quasi einen Versicherungsschutz gegen fehlende Haftpflichtversicherungen an. In einem solchen Fall gewähren die Versicherer ihren Kunden auf der Basis eines gerichtlich verfügten einklagbaren Titels die Übernahme der Schadenskosten → (Schaden-Ausfalldeckung) und stellen ihren Versicherten damit so, als ob auch der Schädiger versichert wäre.
Insbesondere bei besonders gefahrgeneigten Aktivitäten ist aus sozialen Gründen zur Absicherung der Geschädigten eine gesetzliche bzw. berufsrechtliche Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung – abweichend vom Grundsatz der Vertragsfreiheit – vorgesehen:
Hochrisikobereich: Kfz-Haftpflichtversicherung, Atom-Haftpflichtversicherung für den Umgang mit radioaktiven Stoffen
Jagdhaftpflichtversicherung
Rechts- und Wirtschaftsberatung: Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Notare
Ärzte und Angehörige einiger anderer Heilberufe sonstige Gewerbetreibende: Bewachungsunternehmen, Schausteller, Makler und
Versicherungsvermittler
In Fällen der Versicherungspflicht ist der Versicherer regelmäßig auch dann zur Leistung an den Geschädigten verpflichtet, wenn gegenüber dem Versicherungsnehmer etwa wegen Prämienverzug, Kündigung oder Verletzung von Obliegenheiten Leistungsfreiheit besteht. Dies entlastet jedoch nicht den Versicherungsnehmer, er muss vielmehr dem Versicherer die erbrachte Leistung im Nachhinein erstatten.