Wie du die Fallstricke und Fehler vermeiden kannst, die viele auf dem Weg zur finanziellen Unabhängigkeit gerne machen – Teil 1

Finanzielle Unabhängigkeit – kaum ein anderes Wort lässt dir genauso das Wasser im Mund zusammenlaufen wie der Schokoladen-Topf der Lindt-Werbung. Du willst sie, sehnst dich danach; sie scheint als Ende aller Probleme. Keine Frage: Sie ist ein nobles Ziel – vielleicht sogar das wichtigste Ziel in deinem Leben? Gehe deshalb in Deckung vor diesen Fehlern, die viele gerne machen. Ich erkläre dir, wie.

Fallstrick 1: Du willst dich reich sparen

Hörst Du ihn auch? – es naht der Mob der Frugalisten. Mit Fackeln und Mistgabeln ziehen sie durch die Straßen und werden mich lynchen für meine nächsten Worte: Sparen ist nicht alles. Es ist sogar sehr wenig. Verstehe mich nicht falsch: Deine Ausgaben halten dich im Hamsterrad gefangen. Gibst Du etwa aus, musst Du es wieder einnehmen – das ist die Definition des Hamsterrades.

Wenn Du finanziell unabhängig sein willst, ist immer der erste Schritt, deine Ausgaben zu senken und sie in Investitionen umzuwandeln. So z.B. mit Airbnb oder Carsharing. Das kannst Du gerne fortsetzen, indem Du hauptsächlich Fahrrad fährst oder dein Gemüse selbst anbaust – aber irgendwann ist Schluss! Du kannst die Stellschraube des Sparens nicht überdrehen; ab einem gewissen Punkt klemmt sie fest.

Sagen wir, Du verdienst netto (nach Steuern) 3000 € pro Monat und sparst jeden Euro, damit Du monatlich 2000 € investieren kannst. Wie lange brauchst Du wohl, bis Du Millionär bist? Dafür investierst Du all dein Geld in den MSCI World und hast jährlich eine durchschnittliche reale Rendite von ungefähr 5  Prozent – real bedeutet: Inflation, Steuern und Kosten sind bereits abgezogen. Und, was schätzt Du? – es sind fast 23 Jahre. (Ich habe den Zinseszins-Rechner von Finanzfluss benutzt) Willst Du so lange warten? Wer kann überhaupt 2000 € monatlich aufbringen?

Deshalb verkneife dir den übermäßigen Spar-Wahn und konzentriere deine Energie auf deine Einnahmen. Forsche nach, probiere Einkommensquellen aus und sammle dort deine Euros. Kannst Du deine monatliche Sparrate beispielsweise auf 10.000 € erhöhen, dann bist Du bereits in 7 Jahren Millionär – und damit wohl finanziell unabhängig. Reich leben und reich sterben klingt einfach besser, als arm leben, um irgendwann reich zu sterben.

Sparwut führt zu mentalem Druck

Wenn Du selbstverständlich am Frugalismus deine Freude hast – Go for it! Es ist dein Leben; mache, was dich glücklich macht – ich stehe hinter dir. Aber viele sind daran mental zerbrochen wie Soldaten am Trommelfeuer des 1. Weltkriegs. Das ewige Sparen, sich alles verbieten, jeden Euro umdrehen. Was macht es mit dir, wenn so ein Druck deinen Schädel presst? Hier ein Kommentar aus dem Reddit-Forum für finanzielle Unabhängigkeit.

Frei übersetzt:

„Ich blicke zurück auf die letzten Jahre meines Lebens und auf mein Konto und ich würde liebend gern einen heftigen Teil davon weggeben. Ich würde auch länger arbeiten, falls es bedeutet: Ich könnte mehr Erfahrungen sammeln und meine Leidenschaft finden, die ich den Rest meines Lebens genießen könnte. Besonders mit jemandem, den ich so sehr geliebt habe. Ich habe mein Vermögen aufgebaut, aber niemals mein Leben.Zitiert aus: Ramit Sethi, I will teach you to be rich, New York 2019, S. 220.

Ich habe mein Vermögen aufgebaut, aber niemals mein Leben – das ist wirklich bitter. Aber noch nicht alles: Viele verändern ihre Gewohnheiten zu schnell – sie pendeln von Verschwendung zum Spar-Hamster. Das belebt für einige Zeit, Du fühlst dich sicher auf dem Weg zur finanziellen Unabhängigkeit und wie ein besserer Mensch. Aber dann kriecht deine Natur zurück: Es kommt die Regression zur Mitte. Du kämpfst mit dir, Taschen, Autos, Laptops starren verlockend aus den Regalen – und so verführen sie dich: Du gibst nach.

Von einer Phase des harten Sparens torkelst Du zurück zur Verschwendung;  Du gibst aus und aus, bis die Reue einsetzt. Dann setzt Du dir neue Sparziele – noch härtere – und der Kreis dreht sich von Neuem. Wie kommst Du daraus? – indem Du mäßig sparst. Nicht jeder Restaurant-Besuch ist Schlemmen in Teufels Küche; der teure Kaffee bei Starbucks nicht dein Ruin.

Ändere langsam deine Gewohnheiten und richte dir ein Spaßkonto ein. Das befüllst Du jeden Monat und machst es wieder leer – ganz ohne schlechtes Gewissen.

Lösung: Baue deine Offensive auf

Deine Offensive sind deine Einnahmen; sie sind es, was zählt, wenn Du finanziell unabhängig sein willst. Verdienst Du pro Monat 20.000 € netto, ist es egal, ob Du 5000 € verjubelst – es sind trotzdem 75 Prozent gespart. Aber ich weiß: 20.0000 € monatlich zu verdienen, ist deutlich schwerer, als Ausgaben aus dem Leben zu fleischen. Aber hier ist deine Zeit und Energie besser aufgehoben, als stundenlang nach neuen Spartipps zu fahnden.

Zuletzt breche ich noch eine Lanze für den Minimalismus: Konsum macht nicht glücklich. Die minimalistische Lebenseinstellung ist seelisch befreiend. Ich propagiere auch keinen extravaganten Lebensstil. Ich sage nur: Unmäßiges Sparen macht dich nicht unmäßig reich – unmäßiges Verdienen schon. Was Du dann mit dem Geld anfängst, ist deine Sache.

Fallstrick 2: Du vertraust nur auf den Zinseszins-Effekt an der Börse

Ich mache mir heute wirklich keine Freunde; jetzt greife ich sogar den Zinseszins-Effekt an. Was fällt mir ein? Man sollte mich öffentlich verbrennen für diese Lästerei! Doch ehe jemand den ersten Stein wirft, ein kurzes Wort zur Versöhnung: Der Zinseszins-Effekt ist fantastisch und eine sichere Methode, langfristig finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Aber auch seine Haut entstellen Schönheitsflecken.

Denn der Zinseszins-Effekt ist vor allem eines: Hoffnung. Ich hoffe, die Börse steigt langfristig und wirft die historische Rendite ab. Ich hoffe, ich werde nicht krank und kann später mein Vermögen genießen. Ich hoffe, es kommt kein Crash, wenn ich gerade in Rente gehen will. Der letzte Punkt ist besonders tragisch: Wie viele alte Leutchen verloren 2008 ihr Vermögen, als der Lebensabend gerade mit Goldfingern winkte?

Als junger Mensch sitzt Du das notfalls aus – aber als alter Mann? Gleichzeitig unterschätzen viele die Inflation: Durchschnittlich 9 Prozent Inflation hatten die Industrienationen in der ersten Hälfte der 80-er Jahre. Das fräße die durchschnittliche Börsenrendite auf wie ein Blauwal einen Schwarm Plankton. So etwas kann sich immer wiederholen. Deshalb vertraue nicht nur auf den Zinseszins-Effekt.

Lösung: Investiere in Humankapital

Zuerst eine Binsenweisheit: Glaube nicht nur an die Börse, an heilige Aktien oder ETFs. Es gibt unzählige andere Investitionen, die dauerhaft rentabel(er) sein können – so P2P-Kredite, Kryptowährungen, Immobilien (Wohn/Gewerbe), Infrastruktur-Projekte, Agrikultur… Aber das ist kniffliger als ein Sparplan; Du musst gezielt Investments suchen und dich intensiv mit ihnen beschäftigen. So investierst Du nicht nur, sondern wirst Investor als Lebenseinstellung.

Jetzt das Wichtigere: Deine größte Investition ist nicht der MSCI World, das bist DU. Humankapital ist dein größtes Kapital – es sind dein Wissen, deine Fähigkeiten und dein Netzwerk. Die Börse mag taumeln, dein Können hält stand. Investiere deshalb in Weiterbildungen, Seminare, Kurse und Bücher und entwickle dich weiter. Tausend Euro für ein gutes Seminar bringen mehr Rendite als jeder ETF.

Das greift eng zusammen mit dem, was ich oben gesagt habe: Schaue auf die Einnahmen. Aber Einnahmen strömen nicht aufs Konto, wenn Du sie nicht generieren kannst. Darum ist Wissen deine größte Investition. Mit deinen Fähigkeiten kannst Du mehr Gewinn erzielen, als es der Zinseszins-Effekt je könnte – außer Du heißt Warren Buffet.

Also: Der Zinseszins-Effekt ist wichtig, aber nicht alles. Dein Humankapital schlägt ihn wie Muhammad Ali Sonny Liston. Selbst wenn Du alles verlierst, kannst Du dir neue Einkommens-Ströme aufbauen. Das ist die Kraft des Humankapitals – die Kraft des Unternehmertums.

Fallstrick 3: Du gibst deine Finanzen aus der Hand

In diesem Teil war ich bereits kontrovers genug; enden wir deshalb gen Sonnenuntergang und mit Versöhnungskuss wie ein Rosamunde Pilcher Film. Darauf können wir uns wohl einigen: Mache dir deine Finanzen selbst, wenn Du finanzielle Unabhängigkeit erreichen willst. Vertraue keinen Bankberatern, Crashpropheten und täglichen Börsenprognosen – sie sind genauso verlässlich wie das 60-Sekunden-Horoskop bei Landeswelle.

Der Deneb, Wega und Altair versammeln sich wieder im Sommerdreieck – diese kosmische Allianz lässt den DAX wachsen auf 13.000 Punkte. Mehr sind Marktprognosen wirklich nicht. Täglich liest Du sie in den Zeitungen und morgen sind sie bereits wieder vergessen. Aber warum? Keiner kann den Markt verlässlich voraussagen. Könnte es doch jemand, sollte er es nicht verraten. Denn eine funktionierende Technik versauert wie Milch, wenn zu viele sie nutzen. Sie wird unwirksam.

Auch die Crashpropheten sind eine interessante Zunft, weil sie immer recht haben. Sicherlich kommt irgendwann der Crash; dann plustern sie sich auf wie ein Kugelfisch und raunzen: „Ich hab’s ja gesagt.“ Aber das ist Zufall, immer kommt dereinst ein Crash. Nur dem Zeitpunkt mangelt es an Exaktheit, den kann keiner bestimmen. Also lass dich nicht von Krisen-Szenarien kirre machen. Informiere dich selbst und bleib auf deiner Linie.

Zuletzt meide eine Spezies wie den Biss der Trichterspinne: Bankberater. Sie arbeiten nicht für dein Wohl, sondern für ihres. Sie erhalten Provisionen für die Finanzprodukte, die sie dir verkaufen – das ist nicht ihr Fehler, sondern liegt im System. Aber dieses System erschlägt dich und dein Geld, wenn Du dem netten Berater Heinz Werner in der Deutschen Bank vertraust.

Ausnahmen sind Honorarberater oder Robo-Advisor. Sie arbeiten für dein Geld, nicht für Provisionen.

Lösung: Bilde dich selbst

Wir bei Geldhelden predigen es immer wieder: Finanzielle Bildung ist ein Grundrecht – so gebrauche es auch! Hier hast Du hunderte kostenlose Artikel; draußen im Web hast Du unzählige Blogs mehr. Aber etwas darfst Du niemals vergessen: Ohne finanzielle Bildung wirst Du niemals finanziell unabhängig.

Du kannst verdienen, wie Du willst; wenn Du mit Geld nicht umgehen kannst, geht es fremd wie eine untreue Gattin. Du musst es schon umgarnen, damit es sich an deine Schulter schmiegt.

Das war Teil 1. zu den Fehlern, die viele auf dem Weg zur finanziellen Unabhängigkeit gerne machen. Bis zum nächsten Teil und weiterer Kontroverse!

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Junge schaut in die Kamera

Über den Autor:

Finanz-Enthusiast, Self-Improvement-Sensei und  notorischer Wort-Jongleur – diese drei Engel für Charlie bin ich: Robin. Meine Texte entzaubern die Finanzwelt, um sie Dir zerlegt auf dem Silbertablett zu präsentieren. Für Deine finanzielle Bildung und ein selbstbestimmteres Leben.

Hier geht’s zu meinem YouTube-Kanal (Klick).

Robin Prock

2 Gedanken zu „Wie du die Fallstricke und Fehler vermeiden kannst, die viele auf dem Weg zur finanziellen Unabhängigkeit gerne machen – Teil 1“

  1. Schöner Artikel. Nicht so leicht reich zu werden. Ich hab es geschafft. Puh. Allerdings hab ich viel auf „bilde Dich selbst weiter“ gesetzt und viele Infos über Aktien und die Analysen von Fachleuten gesetzt. Spannend was die aus den Bilanzen lesen und wie die Geschäftsmodelle bewerten – und damit letztendlich den Aktienkurs. Oft fündig bin ich bei den deutschen Börsenbriefen geworden. Ne, nicht ne Abo, hab die immer online einzeln gekauft, wenn spannende Aktien drin waren auf boersenkiosk de. Ist quasi Bildung für wenige Euro.

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