Frugalismus und Investieren – Eine Strategie wie Pech und Schwefel

Frugalisten investieren zunächst in sich selbst und ihre finanzielle Bildung. Ist für das eigene Humankapital gut gesorgt, lauten die Maximen: passiv, langfristig, diversifiziert, ertragreich und sicher.

Der größte Teil eines frugalen Portfolios wird also in der Regel von ETFs ausgemacht. Hiervon nimmt ein ETF auf den MSCI World Index oder den FTSE Developed World Index meist den größten Teil ein, ist dabei jedoch nicht der einzige Index, in den investiert wird. Ergänzt wird er häufig durch ETFs mit den Schwerpunkten Nachhaltigkeit oder Emerging Markets. Neben ETFs investieren einige Frugalisten noch in einzelne Aktien und diversifizieren auch hier.

Viele Frugalisten wollen nicht ihr gesamtes Geld an der Börse hinterlegen.
Deshalb vergeben sie zusätzlich Privatkredite über P2P-Plattformen oder erwerben Edelmetalle. Die meisten Frugalisten investieren nicht ausschließlich in ETFs oder gehen fest davon aus, dass diese ihnen garantierte 8 % Rendite bringen werden. Sie investieren deshalb in viele verschiedene Anlageklassen und allen voran auch in eigene Projekte.

Sicher durch die Krise dank Frugalismus

sicher durch die krise

Da einige Frugalisten auch bei einem Totalzusammenbruch des Bankensystems abgesichert sein wollen, kaufen sie Kryptowährungen oder Gold und Silber in Form von Anlagemünzen. Einen gewissen Teil ihres Geldes behalten sie als Bargeld, um einen Puffer zu haben, sodass sie in finanziellen Notlagen nicht ihre Anlagen veräußern müssen. Der Notgroschen sollte ausreichend groß sein, um die Ausgaben von drei bis sechs Monaten zu stemmen.

Zudem richten sich die meisten Frugalisten ein Kontensystem ein, welches dafür sorgt, dass ihr Geld in Monatsabständen – vierteljährlich oder halbjährlich – investiert wird, damit Marktschwankungen ausgeglichen werden. Zu Ende dieses Kapitels wird genauer auf die Einrichtung von Kontensystemen eingegangen.

beispiel für gemischte vermögensanlage

 

Vermögensaufbau und frugalistische Geldentnahme

Die meisten Frugalisten investieren ihr Geld in regelmäßigen Abständen, um Marktschwankungen und deren Auswirkungen auf das eigene Investitionsverhalten aus dem Weg zu gehen.
Bei einer passiven Investmentstrategie bietet es sich daher an, auf Daueraufträge und automatisierte Sparpläne zurückzugreifen, die das Ersparte zu Beginn des Monats verteilen. Automatisiertes Sparen erweist sich auch hinsichtlich der Gewohnheitsbildung als praktisch und kann mental entlasten.

Deutlich komplizierter gestaltet sich die Auszahlung des Vermögens, denn selbst eine perfekte Anlagestrategie mit hohen Renditen kann im Nachhinein durch die falsche Geldentnahme sabotiert werden. Dabei spielt die Entnahme aber eine wichtige Rolle, denn Frugalisten haben den Anspruch, planbar und konstant Geld zu entnehmen. Dabei sollen weder die generelle Anlagesicherheit noch die Höhe der Rendite signifikant reduziert werden.

Da die Märkte aber konstanten Schwankungen unterworfen sind, stellt sich dies außerhalb von Dividendenaktien sehr kompliziert dar. Sobald Geld abgehoben wird, reduziert sich das Vermögen. Diese Abnahme muss durch die Rendite (nach Versteuerung) mindestens kompensiert werden.

Wenn nun viele Jahre mit geringerer Rendite aufeinanderfolgen, dann kann sich das Vermögen ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr erholen, weil es schon zu klein geworden ist. Falls sich das Portfolio z. B. in den ersten zehn Jahren durch schlechte Kursverläufe und Entnahmen halbiert, dann kann diese Hälfte selbst durch sehr gute Renditen in 20 Folgejahren nicht mehr gerettet werden.

Stellen wir uns ein Vermögen von 300.000 € vor, aus dem jährlich 12.000 € entnommen werden, um eine monatliche Rente von 1.000 € auszuzahlen. Im ersten Jahr entspricht diese Entnahme 4 %. Wenn sich das Geld aber halbiert hat, entspricht die Entnahme 8 %, wodurch sich das Geld noch schneller halbiert, wodurch dann die Entnahme einem noch größeren Teil entspricht, usw. Ab einem gewissen Zeitpunkt macht die Entnahme so viel vom Gesamtvermögen aus, dass dieses selbst durch astronomisch hohe Renditen nicht mehr gerettet werden kann.

Genau umgekehrt verhält es sich, wenn die ersten Jahre von sehr guten Renditen geprägt sind. Der Anteil, den die Entnahme ausmacht, würde immer weiter schrumpfen, sodass nach einem gewissen Zeitpunkt selbst schlechte Renditen keinen großen Schaden mehr anrichten könnten.

Sobald also Geld entnommen wird, spielt die Reihenfolge der guten und schlechten Jahre eine wichtige Rolle und insbesondere die ersten Anlagejahre sind extrem relevant für die Zukunft des Vermögens. So relevant, dass sie nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Es sollte aktiv überprüft werden, wie die Jahresrendite ausfällt und sich ein Plan B zurechtgelegt werden, um in dieser Phase kein Geld entnehmen zu müssen.

Dieser Plan B kann zum Beispiel in der Diversifikation durch andere Anlagearten wie P2P-Kredite, Immobilien oder auch einer Dividendenstrategie bestehen. Zusätzlich kann natürlich auch noch ein paar Jahre über die eigentlich geplante Frührente hinaus gearbeitet werden. Für die meisten Frugalisten wäre es wohl kein Drama, statt mit 40 mit 45 Jahren in Rente zu gehen.

Zudem gibt es aber auch einen Weg, das Entnahmerisiko komplett zu umgehen, nämlich indem nicht auf eine Entnahmesumme in Gestalt einer festen Zahl (wie z. B. 12.000 € im Jahr), sondern auf eine Entnahmerate zurückgegriffen wird. Genauso wie bei der Sparquote immer ein fester Prozentsatz der eigenen Einnahmen gespart und investiert wird (z. B. 60 %), wird bei der Entnahmerate immer ein fester Prozentsatz des Vermögens entnommen (z. B. 4 %). In diesem Fall muss entsprechend genug Vermögen aufgebaut werden, sodass die Entnahmerate nicht unter den minimalen Lebenshaltungskosten liegt.

Der spannende Hintergrund der 4 Prozent Regel 

hintergrund der 4 prozent regel

Wie hoch die Entnahmerate höchstens sein darf, wurde schon genauer untersucht. Die bekannteste Studie zu diesem Thema ist die Trinity-Studie[1], die die vollkommen sichere Entnahmerate ermittelt hat – eine Rate, die jedes Jahr entnommen werden kann, ohne dass dies innerhalb von drei Jahrzehnten zum Bankrott führt. Als Ergebnis kamen 4 % jährliche Entnahme heraus, woraus sich die sogenannte „4 %-Regel“ entwickelt hat.

Diese bezieht sich aber streng genommen auf ein Grundszenario, das sich sehr von typisch frugalistischer Anlagestrategie unterscheidet, denn die Studie wurde vor über zwanzig Jahren und ausschließlich mit amerikanischen Werten durchgeführt, darunter zur Hälfte Staatsanleihen.

Zudem handelte es sich um eine suboptimale Fragestellung, denn bei der vollkommen sicheren Entnahmerate handelt es sich um einen Fall, der mit dem Konzept von Rendite schwer vereinbar ist. Schließlich geht Rendite mit Risiko Hand in Hand und die meisten Anleger sind bereit, ein Risiko von mindestens 1 % einzugehen. Da die Trinity-Studie die angepeilte Risikotoleranz aber auf 0 setzt, ist sie nur bedingt repräsentativ.

Dennoch – selbst mit den Daten der Trinity-Studie – hätte sich das Vermögen eines Großteils der Anleger erhöht. Und auch bei einer höheren Entnahmerate wären weniger als 1 % der Anleger leer ausgegangen.

Es wurden nachfolgend zahlreiche andere Studien durchgeführt, welche die unterschiedlichsten Szenarien (in Bezug auf Entnahmerate, Portfoliozusammensetzung, Risikobereitschaft, etc.) abdecken.
Mithilfe dieser Studien wurden schließlich mehrere Programme entwickelt, mit deren Hilfe Privatanleger ihre eigene Entnahmestrategie überprüfen können. Viele von ihnen sind mittlerweile kostenlos online zugänglich. Das im Rahmen der Frugalismusbewegung wohl bekannteste Programm nennt sich „cFIREsim“ und trägt das Motto der amerikanischen Frugalisten „Financial Independence, Retire Early“ schon im Namen.

Nicht alle Helden Tragen ein CAPE

Der Rückgriff auf eine konstante Entnahmerate gestaltet sich zwar einfach, lässt aber die Chance außen vor, aktuelle Daten mit einzubeziehen, die sich jedes Jahr aufs Neue sammeln lassen und die Simulation präziser machen. Zum Zwecke einer solchen Simulation wurde die CAPE-Formel von Robert Shiller entwickelt, der für seine Analyse von Kapitalmarktpreisen mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde.

CAPE steht für „Cyclically Adjusted Price to Earnings Ratio“ (zyklisch angepasstes Kurs-Gewinn-Verhältnis) und kompensiert irrationale Anteile der Marktschwankung. Für die Berechnung lässt sich der globale CAPE-Wert zum jeweiligen Zeitpunkt nachschlagen. Er wird dann in die folgende Formel eingesetzt:

1 + 0,5 x 1/Cape = Rate, die sicher entnommen werden kann.

Um den Prozess zu vereinfachen, enthält auch der „cFIREsim“ unter der Einstellung „Spending Plan“ die Funktion „Variable CAPE“. So lässt sich mit wenigen Klicks jedes Jahr eine neue sichere Entnahmerate bestimmen, die dabei hilft, dass aus dem frugalistischen Portfolio eine Altersvorsorge wird.

PS: Jetzt geht es erst los!

Herzlichen Glückwunsch, Du hast grade 1 % des brandneuen Buches „Frugalismus – Raus aus der Sklaverei“ durchgelesen. Kümmere dich jetzt um die verbleibenden 99 % und lerne wie du dein eigenes Leben freikaufst und dafür sorgst, dass deine Zeit wieder dir gehört!

Frugalismus - Raus aus der Sklaverei

Hier kommst Du direkt zum Buch 🙂

 

[1] Vgl. Cooley (1998): „Retirement Savings: Choosing a Withdrawal Rate That Is Sustainable“

1 Gedanke zu „Frugalismus und Investieren – Eine Strategie wie Pech und Schwefel“

Schreibe einen Kommentar